Spätestens seit der Paneuropa-Fußball-EM 2021 ist vielen Aserbaidschan als Fußballland ein Begriff. Nicht etwa, weil das Nationalteam der Kaukasusrepublik daran teilgenommen und irgendeinen Eindruck hinterlassen hätte. Es war und ist vielmehr das neue Nationalstadion in der Hauptstadt Baku, das in Erinnerung blieb - fanden doch hier immerhin drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale statt. 2015 mit einem Jahr Verspätung eröffnet und von den Öl-Millionen des Staates finanziert, gilt das 710 Millionen US-Dollar teure und rund 70.000 Sitzplätze zählende Baki Milli Stadionu als das Aushängeschild des aserbaidschanischen Fußballs.

Tatsächlich spiegelt die moderne Arena, die aus der Skyline Bakus nicht mehr wegzudenken ist, den Stellenwert des Fußballs und seines mächtigsten Förderers und Finanziers, Langzeit-Präsident Ilham Alijew, mehr als wider. Aber das war es auch schon, zählt doch die aserbaidschanische Nationalelf trotz ihrer Jugend nicht gerade zu den Top-Ballkünstlern in Europa. Erst 1992, nach dem Ende der Sowjetunion, aus der Taufe gehoben, hat das Nationalteam in den vergangenen 30 Jahren lediglich 54 Pflichtspielsiege vorzuweisen, dem gegenüber stehen 73 Unentschieden und 149 Niederlagen zu Buche. Als größter Erfolg wird in der Statistik ein 4:0-Heimsieg gegen Liechtenstein 1999 ausgewiesen. Gegen Österreich hat die Elf vom Kaspischen Meer bisher nur vier Mal gespielt - und drei Mal verloren. 2004 und 2010 gewann die ÖFB-Elf 2:0, 4:1 beziehungsweise 3:0. Eine Partie endete 0:0. Das ist auch der Grund, warum Teamchef Ralf Rangnick für das EM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan am Freitag (20.45 Uhr/ServusTV) in Linz drei Punkte fix eingeplant hat.

Große Berührungspunkte zwischen heimischen und aserbaidschanischen Kickern gab es wenige. Dabei waren diejenigen, die es etwa im Europacup gab, für Österreichs Klubs doch durchwachsen. In Erinnerung geblieben ist etwa das knappe Abschneiden des SK Rapid in der dritten Qualifikationsrunde der Conference League im Vorjahr, als man zunächst auswärts gegen den aserbaidschanischen Serienmeister Neftci Baku 1:2 verlor, das Rückspiel in Wien aber 2:0 gewinnen konnte. Ähnliche Probleme hatte auch Red Bull Salzburg 2014 in der dritten Qualifikationsrunde der Champions League gegen den Neftci-Rivalen und ebenfalls Serienmeister Qarabag Agdam. Auch hier konnte eine 1:2-Niederlage im Hinspiel in Baku doch noch mit einem 2:0 zu Hause gedreht werden. Aber auch das ÖFB-Team ist gewarnt, dürfte doch das aserbaidschanische Nationalteam aktuell so etwas wie einen Lauf haben. Immerhin hat es seine jüngsten Partien gegen Kasachstan (3:0), Moldawien (2:1) und Nordmazedonien (3:1) alle gewonnen, wobei vor allem Aleksandr Marochkin, Ramil Sejdajew und Emin Mahmudow ihre Gefährlichkeit unter Beweis stellten.

ÖFB-Team peilt EM-Ticket an

Eine ähnliche Siegessträhne wird auch das heimische Nationalteam brauchen, um die vierte EM-Teilnahme seiner Geschichte zu erreichen. Nach der Heim-EM 2008 war die Qualifikation für 2016 das erste Mal auf sportlichem Weg gelungen. Bei dem Corona-bedingt auf 2021 verschobenen Kontinentalturnier erreichte das ÖFB-Team unter Rangnicks Vorgänger Franco Foda die K.o.-Phase. Mit der 2016 erfolgten Ausweitung der EM von 16 auf 24 Teams ist auch die Qualifikation einfacher geworden. Der erste und zweite Platz in jeder der zehn Qualifikationsgruppen reicht für ein Ticket. Gelingt das dem ÖFB-Team in einem Pool mit Belgien, Schweden, Aserbaidschan und Estland nicht, hätte man dank der Gesamtplatzierung aus der Nations League wohl immer noch die Chance, über ein Play-off im März 2024 die Endrunde im Sommer in Deutschland zu erreichen. Vor der EM 2016 in Frankreich gewannen die Österreicher unter Coach Marcel Koller ihre Qualifikationsgruppe mit neun Siegen und einem Unentschieden. Vier Jahre später unter Foda schaffte man es als Gruppenzweiter hinter Polen zum paneuropäischen Turnier. Vor 2016 gelang dem ÖFB-Team die sportliche Qualifikation ja nie.

Ein Los, das diesmal Aserbaidschan (erneut) treffen könnte - trotz der Ausweitung der Teilnehmerzahl. Seit ihrem erstmaligen Antreten bei der EM-Qualifikation 1996 scheiterten die Kicker aus dem Kaukasus stets bereits in der Qualifikation. Daran konnte auch die Verpflichtung von klingenden Namen wie Berti Vogts oder Nikola Jurcevic als Aseri-Teamchefs etwas ändern. 23 Trainer hat man binnen 30 Jahren verschlissen. Seit 2020 ist der Italo-Mazedonier Gianni de Biasi in Baku im Amt. Er wolle Arbeit machen, für die er geachtet werde, meinte der frühere Inter-Mailand-Profi einmal. Die Chance dazu hat er am Freitag.