Bis vor wenigen Tagen war man in Indonesien noch voller Stolz und Vorfreude. Nur eineinhalb Monate blieben, bis das südostasiatische Land zum ersten Mal eine Fußballweltmeisterschaft austragen würde. Die Nation mit 274 Millionen Einwohnern ist zwar kaum für ihre fußballerischen Erfolge bekannt. Fußball ist auch weniger beliebt als etwa das populärere Badminton. Aber die U20-WM im eigenen Land sollte den Weg in eine blühende Zukunft ebnen. Seit Wochen haben nationale Medien immer wieder auf das nahende Turnier hinberichtet. Aber es wird nicht mehr kommen, zumindest nicht in Indonesien.

Am Mittwoch beschloss der Fußballweltverband, dem mehrheitlich muslimischen Land das Austragungsrecht zu entziehen. "Ein neuer Gastgeber wird so bald wie möglich bekanntgegeben, wobei die Turnierdaten (20. Mai bis 11. Juni, Anm.) vorerst unverändert bleiben", hieß es in einer Pressemitteilung. Auch über "mögliche Sanktionen" gegenüber dem nationalen Verband PSSI denkt die Fifa laut nach. Was war passiert? Der Eklat ereignete sich Mitte der Woche bei der Gruppenauslosung für das Turnier, die von den Gastgebern kurzerhand abgebrochen wurde. Denn der Gouverneur der Region Bali hatte wissen lassen, er würde die für die WM qualifizierte israelische Nationalmannschaft nicht auf seiner Insel beherbergen. Als sich für dieses Problem keine elegante Lösung zu präsentieren schien, beschloss die Fifa kurzerhand, dass Indonesien offenbar doch kein würdiger Gastgeber für eine Fußball-WM sei.

Im südostasiatischen Archipel herrscht seitdem helle Aufregung. Mitglieder der indonesischen U20-Auswahl haben ihr Bedauern ausgedrückt. In den nationalen Zeitungen und TV-Sendern dominiert das Thema quer über die Kanäle. Denn in der Sache geht es um viel mehr als um ein Nachwuchsturnier. Die Sache ist hochpolitisch. Das überwiegend muslimische Indonesien erkennt Israel nicht als Staat an, hält stattdessen zu Palästina. So hat nicht nur der Gouverneur von Bali ein Problem mit der Einreise israelischer Vertreter ins Land. In der Hauptstadt gab es Demonstrationen gegen Israel. So muss sich nicht nur Bali, sondern ganz Indonesien fragen, wie es um Gastfreundlichkeit und Offenheit im Land bestellt ist.

"Wir haben kein Problem"

Bali, dessen Gouverneur Israels Teilnahme abgelehnt hat, ist eigentlich als Ferienparadies bekannt, veranstaltete erst im vergangenen November den G20-Gipfel. Und auch der im Land populäre Präsident Joko Widodo betonte noch im vergangenen Sommer in einem Interview mit dem Finanzsender Bloomberg: "Indonesien will mit allen befreundet sein, mit jedem Land. Wir haben mit keinem Land ein Problem." Inmitten der heiklen WM-Situation bemühte sich der Präsident dann um Vermittlung: "Ich garantiere hiermit, dass Israels Teilnahme nichts mit der Beständigkeit unserer Außenpolitik gegenüber Palästina zu tun hat, weil unsere Unterstützung Palästinas stets stark und stabil ist." Dabei fügte Widodo einen Satz hinzu, den Politiker und Sportoffizielle oft und gern betonen, wenn alles nach dem Gegenteil aussieht: "Vermixen Sie nicht Sport und Politik." Indonesien ist bei weitem nicht der einzige Staat, der ein grundsätzliches Problem mit der Existenz Israels hat. Bei Olympischen Spielen fallen etwa iranische Athleten immer wieder dadurch auf, dass sie lieber aus dem Turnier ausscheiden als sich auf ein Aufeinandertreffen mit einem israelischen Konterpart einzulassen. Auch aus arabischen Staaten sind entsprechende Gesten immer wieder zu beobachten gewesen. Allerdings vermischen sich internationale Politik und Sport längst nicht nur im Zusammenhang mit Israel.

Der Kalte Krieg zwischen liberalen und sozialistischen Staaten war über Jahrzehnte von Boykotten oder Boykottdrohungen geprägt. Vor kurzem zog Festlandchina wegen Taiwan sein Breakdance-Team zurück. Inmitten des Angriffs Russlands auf die Ukraine bestehen seit Monaten Diskussionen über Ausschlüsse. Auch im südostasiatischen Myanmar, wo sich vor gut zwei Jahren das Militär an die Macht putschte, fordern diejenigen, die für Demokratie kämpfen, einen Ausschluss der durch das Militär kontrollierten Sportverbände von internationalen Wettbewerben. Dabei haben die internationalen Verbände an solchen Diskussionen wenig Interesse: Schließlich ermöglicht in einer politisch gespaltenen Welt erst das Mantra, der Sport sei per se unpolitisch und bringe gerade deshalb die Welt zusammen, globale Absatzmärkte.

Entscheidung strahlt aus

Zwar hat die Fifa Russland inmitten dessen Angriffskriegs gegen die Ukraine bis auf Weiteres von Turnieren ausgeschlossen. Aber der jetzige Beschluss, dass Indonesien durch seine Ablehnung Israels kein würdiger WM-Gastgeber sei, wirkt auch wie ein Fingerzeig in diverse Regionen der Welt. Für den Fußballweltverband - und damit einen der wichtigsten Verbände der Sportwelt - kommt der Entscheid zu Indonesien denn in einer Zeit, in der die politische Weltlage so angespannt ist wie lange nicht. Und zumindest im von der Fifa regulierten Fußball, so zeigt dieser Beschluss, sollen die Spielregeln des Sports über allen möglichen Umständen der Politik stehen. Auch wenn das in der Realität immer wieder äußerst naiv wirken mag.