Noch nie in der Geschichte der Bundesliga-Meistergruppe war Red Bull Salzburg nicht Erster. Seit der Liga-Reform 2018/19 war der finale Durchgang nach Punkteteilung stets eine souveräne Angelegenheit für die Bullen-Truppe - und klappte es einmal nicht sportlich auf dem grünen Rasen, dann half der grüne Tisch: 2020 wurde der Grunddurchgangssieger LASK ja wegen unerlaubten Corona-Trainings nach einer Acht-Punktestrafe auf Rang drei zurückgereiht. Und daher könnte es am Sonntag (17 Uhr/Sky) im Spitzenspiel der 26. Runde zu einer absoluten Premiere kommen: Gewinnt Verfolger Sturm Graz das Heimduell gegen den Serienmeister, dann stünden die Blackies nicht nur mit einem Zähler Vorsprung auf Rang eins, sondern hätten plötzlich auch beste Chancen auf den ersten Meistertitel seit 2011.

Und das wäre ein durchaus außergewöhnliches Ereignis für den österreichischen Fußball: Denn in den vergangenen 15 Jahren ist es überhaupt nur drei Klubs gelungen, den Salzburgern den Meisterteller abzujagen - neben den Grazern noch Rapid (2008) und Austria (2013). In der Red-Bull-Ära (seit 2005) hat die Elf aus der Mozartstadt 13 Mal den Meistertitel eingefahren - und wenn sich der 14. (respektive 10. en suite) heuer als verflixt erweisen sollte, wird auch bei den erfolgsverwöhnten Salzburgern kein Stein auf dem anderen bleiben. Eine Saison ohne Titel (im Cup folgte das Viertelfinal-Aus gegen Sturm) ist - junge Mannschaft hin, ständiger Ausverkauf her - eigentlich undenkbar. Und was fast genauso schwer wiegt: Die hauptsächlich von den Salzburgern erspielte direkte Qualifikation (samt etlicher Millionen) des Meisters für die Champions League würde an Sturm gehen, während man selbst zwei Qualifikationsrunden für die Königsklasse packen müsste.

Entsprechend angespannt waren die Protagonisten des rot-weiß-roten Fußball-Krösus vor dem Gipfelduell unter dem Uhrturm. Trainer Matthias Jaissle, der im Misserfolgsfall zum Saisonschluss wohl oder übel gehen müsste, war zudem unter der Woche wegen einer schweren Verkühlung nicht beim Team. Dennoch schwor er seine Elf auf die möglicherweise entscheidende Partie (das Rückspiel in Runde 30 steigt am 21. Mai in Wals-Siezenheim) ein. "Sturm hat das klare Ziel, Meister werden zu wollen, wir aber auch", betonte er. Letztlich brauche es am Sonntag jene Tugenden, die Salzburg bis zuletzt erfolgreich gemacht hätten. "Wir erwarten ein extrem intensives Spiel mit vielen Zweikämpfen. Das müssen wir annehmen. Dann bin ich mir sicher, dass wir gute Chancen haben, die Partie für uns zu entscheiden."

Eine Pleite heuer - in Graz

Bei den zwei Unentschieden in der Meistergruppe gegen die Austria und den LASK war allerdings der Wurm drin; hinzu kommt, dass Sturm heuer der Angstgegner ist - neben dem Cup-Aus im Penaltyschießen setzte es in Runde zwei auch die einzige Liga-Pleite heuer (1:2). Und: Salzburg trat die Reise ersatzgeschwächt an: Mit Noah Okafor verletzte sich soeben ein weiterer offensiver Hochkaräter - neben Maurits Kjaergaard, Luka Sucic und Fernando. "Aber wir werden nicht jammern, sondern Lösungen finden", versprach Jaissle.

Sein Gegenüber Christian Ilzer will weiterhin nichts vom Meisterteller wissen: "Wir dürfen nicht zu weit nach vorne schauen, es zählt immer nur das nächste Spiel", wiederholte der Sturm-Coach. Sein Glück: Außer dem Heimvorteil (ausverkauft mir 15.600 Fans) kann er personell annähernd aus dem Vollen schöpfen - auch Abwehrchef Gregory Wüthrich dürfte sein Comeback in der Startformation geben.