Es klingt in der fast 112-jährigen Derbygeschichte rekordverdächtig: Zum bereits dritten Mal seit 19. März - das sind am Sonntag exakt 57 Tage - treffen die beiden Erzrivalen Austria und Rapid Wien im Rahmen der Bundesliga aufeinander. Nach den beiden violetten Siegen im Grunddurchgang (2:1 und 2:0) und der spektakulären Punkteteilung (3:3) vor einem Monat in der Meistergruppe, geht es für Grün-Weiß in der Generali-Arena vor allem um den ersten Derbysieg in dieser Saison. Und für beide - vier Runden vor Schluss - um den womöglich entscheidenden Vorsprung im Kampf um Platz vier, der einen Fixplatz in der Conference-League-Qualifikation bedeutet.
Beim jüngsten Auftritt in Hütteldorf trauerten die Gäste aus Favoriten einem Sieg hinterher. Die Rapidler wiederum sind bereits seit zehn Versuchen, seit dem 1. September 2019 - einem 3:1 bei der Austria - in Derbys erfolglos; achtmal endeten die Spiele dabei mit einem Remis. Im 340. Duell am Muttertag (17 Uhr/Sky) würde ein voller Erfolg vor allem den Hausherren weiterhelfen.
"Wenn ich der Mannschaft sage, wir wollen nicht verlieren, wäre es falsch. Wir können die Tabelle lesen", sagte Austria-Trainer Michael Wimmer angesichts von zwei Zählern Rückstand auf Rapid. Und: Die Hütteldorfer würden bei Gleichstand aufgrund der Abrundung bei der Punkteteilung vorgereiht werden. Wimmer erwartete "einen Gegner, der auch gewinnen will, der bissig und gierig ist". Rapid-Coach Zoran Barisic bestätigte Wimmers These: "Auf ein Unentschieden zu gehen, ist nicht unsere Philosophie und nicht unsere Art, wie wir Fußball spielen wollen. Wir werden dort angreifen und wollen drei Punkte mitnehmen", erklärte der Wiener.
Die Bilanz seiner Truppe aus den vergangenen fünf Bewerbspartien steht bei drei Niederlagen und zwei Unentschieden - dennoch hat Barisic von seinen Profis eine unverändert hohe Meinung. "Wenn jeder 100 Prozent seines Potenzials abruft, ist irrsinnig viel drin. Ich hoffe, dass die Spieler selbst mindestens genauso an sich glauben, wie ich an sie glaube. Das würde sie um ein, zwei Schritte weiterbringen."
Grün-weißer Personalumbau
Trotz des Lobs für den aktuellen Kader steht Rapid im Sommer wohl wieder ein massiver Personalumbau bevor. Dies könnte dazu führen, dass die Kriterien des Österreicher-Topfes nicht mehr eingehalten werden, wobei Geschäftsführer Steffen Hofmann beschwichtigte: "Wir lassen uns das von Transferperiode zu Transferperiode offen. Es kann auch passieren, dass wir sieben, acht Ausländer im Kader haben. Aber unser Hauptaugenmerk wird weiterhin darauf liegen, die eigenen Spieler zu forcieren."
Rapid wird am Verteilerkreis von 1.600 Fans im ausverkauften Auswärtssektor unterstützt. Aufgrund der Vorkommnisse im bisher letzten Derby in Favoriten müssen die grün-weißen Anhänger mit verstärkten Polizeikontrollen rechnen, daher bitten die Hütteldorfer um zeitgerechte Anreise. Die Austria erwartet ein mit mehr als 15.000 Zuschauern ausverkauftes Haus.
Und eine Reaktion auf die Vorstellung vor einer Woche. Beim 1:2 gegen Sturm Graz verschliefen die Austrianer die erste Spielhälfte. "Von Anfang an da sein", wollte man nun laut Sportdirektor Manuel Ortlechner. Wimmer erinnerte an den Auftritt beim 2:0-Heimsieg in der letzten Runde des Grunddurchgangs. "Da waren wir von Beginn an präsent."
Seit besagtem Sieg wartet die Austria auf ein Erfolgserlebnis: In der Meistergruppe hat der Tabellenfünfte noch nicht gewonnen, die punktegleiche Austria aus Klagenfurt sitzt dem Namensvetter im Nacken und ist weiter im Rennen um Platz vier.
Zu viele Gegentore
Einen vollen Erfolg der Favoritner verhinderten auch die 15 Gegentore in den sechs Meistergruppen-Runden. Wimmer forderte daher vollste Konzentration ein. "Wir müssen auch eine gewisse Nettigkeit ablegen und in den Zweikämpfen robuster zur Sache gehen", sagte der Deutsche. Ortlechner lieferte eine andere Erklärung, dass es für die Austria nicht so läuft wie im Vorjahr, als der dritte Platz erreicht wurde: "Das Niveau der Meistergruppe ist anders als im letzten Jahr. Das kann man nicht vergleichen."
Für Rapid wäre ein Erfolg beim Erzrivalen - erst recht nach den jüngsten Misserfolgen (Stichwort Cupfinale) - eine große Erleichterung, aber nicht gleichbedeutend mit Endrang vier. "Wenn wir gewinnen, ist das keine Vorentscheidung", betonte Barisic.(may)