Guayaquil. (sir) Gute Geschichten beginnen nicht so. Nicht mit einem solchen Höhepunkt. Im Jänner des Vorjahres stand Ronaldinho in Rio de Janeiro auf einer Bühne, und unter ihm eine Masse an begeisterten Fans, die ihn besangen und beklatschten. Nach zehn Jahren in Europa war Ronaldinho zurückgekehrt, zu Flamengo, dem bekanntesten Klub des Landes. Ronaldinho ist Weltmeister und zweifacher Weltfußballer. Doch beim Anblick der 20.000 Fans, die allein zu seiner Präsentation gekommen waren, schossen ihm die Tränen in die Augen.

Nicht wenige von ihnen, die ihn damals besangen, buhen ihn heute aus. Am Mittwoch war der 32-Jährige wieder Ziel kollektiver Schmährufe der eigenen Fans, als Flamengo in der Copa Libertadores bei Emelec in Ecuador gastierte. Der Bewerb ist das südamerikanische Äquivalent zur europäischen Champions League. Brasiliens Vereine glänzten bisher, nur Flamengo nicht. Nach einer 2:3-Niederlage ist das blamable Aus in der Vorrunde kaum noch zu verhindern. Und wer ist schuld daran? Natürlich Ronaldinho.

Mit 21 Jahren, bald nach seinen ersten, umjubelten Auftritten in der Nationalmannschaft, hat Ronaldinho Brasilien verlassen, als er von Grêmio zu PSG wechselte. Ab da war er für die Fans nur noch eine kleine Projektion in ihren Fernsehgeräten, die auf der anderen Seite des Atlantiks zauberte. Wie im November 2005, als er mit Barcelona bei Real Madrid 3:0 gewann und eine sagenhafte Partie ablieferte. Jede Ballannahme, jeder Pass war ein Spektakel, und dann erzielte er noch zwei wunderbare Tore. Im Bernabéu erhoben sich die Fans von Real Madrid, um Ronaldinho, dem Star des Rivalen, zu applaudieren.

Keine Grenzen

Etwa um diese Zeit schwirrte ein vermeintliches Amateurvideo durchs Internet, das Ronaldinho im Training zeigte, wie er einen Ball aufgaberlt, aus 20 Metern an die Latte schießt, den Abpraller wieder annimmt, erneut die Latte trifft und das Ganze dann ein drittes Mal wiederholt. Über die Authentizität des Videos wurde im Internet tagelang gestritten, ehe es sich als gelungene Werbeaktion für neue Fußballschuhe herausstellte. Doch allein die Diskussion über die Echtheit belegte, dass man Ronaldinho auch solche Kunststücke zugetraut hat. Wenn das jemand konnte, dann er.

Es schien undenkbar, dass Barcelona zwei Jahre später glücklich sein sollte, Ronaldinho endlich zu verkaufen. Nach dem Sieg in der Champions League 2006 ließen seine Leistungen aber rapide nach. Die Freiheiten, die er auf dem Platz hatte, nahm er sich auch außerhalb davon. Die Feier nach dem Europacup-Sieg ließ Ronaldinho nie wirklich enden.

Auch jetzt, in Brasilien, ist es Ronaldinhos unsteter Lebenswandel, der die Fans gegen ihr einstiges Idol aufbringt. Flamengo zahlt Ronaldinho, der gleich zum Kapitän ernannt wurde, sagenhafte 600.000 Euro pro Monat. Dabei gehe es ihm doch nur um die Seleção, um Olympia und die WM 2014, sagte Ronaldinho bei seiner Präsentation. Doch warum leistet er sich dann immer wieder Eklats? Mittlerweile zählen die Zeitungen in Brasilien jede Trainingseinheit, die er schwänzt.

Die Sportzeitung "Lance!" hat fast genüsslich darüber berichtet, wie Ronaldinho einmal bis vier Uhr Früh gefeiert hat, um dann für das Vormittagstraining wegen angeblicher Bauchschmerzen abzusagen. Seit Jänner soll er schon ohne echten Grund elfmal beim Training gefehlt haben. "Er muss sein Verhalten ändern", sagt Teamchef Mano Menezes. Doch er hat Ronaldinho vorerst in den derzeit 50 Mann starken Olympiakader berufen. Nun liegt es an Ronaldinho, die zwar finanziell einträgliche, aber nicht sehr ruhmreiche Geschichte seiner Rückkehr umzuschreiben.