Den Haag. (art) Dem internationalen Fußball droht ein weiterer Wett- und Manipulationsskandal. Wie die europäische Polizeibehörde Europol am Montag bekanntgab, ist sie im Zuge ihrer eineinhalb Jahre dauernden Ermittlungen auf 380 Spiele in Europa im Zeitraum von 2008 bis 2011 gestoßen, die unter Manipulationsverdacht stehen. Weltweit geht Europol von 300 weiteren geschobenen Partien aus. Betroffen seien WM- und EM-Qualifikationsspiele sowie ein Champions-League-Spiel in England.

Europol-Chef Rob Wainwright sprach von "Manipulation auf einem nie dagewesenen Niveau" sowie von einem "traurigen Tag für den europäischen Fußball". Dreh- und Angelpunkt sei ein Verbrechersyndikat in Asien, das weltweite Beziehungen unterhalte. Die Betrüger sollen insgesamt rund acht Millionen Euro erzielt haben.

Spuren nach Österreich

Derzeit werde gegen rund 420 Funktionäre, ehemalige und aktive Spieler sowie Schiedsrichter in 15 Ländern ermittelt - doch die Fahnder sind sicher, dass weitere Aufdeckungen erst bevorstehen: "Das ist nur die Spitze des Eisbergs", sagte Wainwright. Die betroffenen Partien und Vereine nannte er unter Berufung auf die "laufenden Ermittlungen" nicht, allerdings sickerte bereits durch, dass eine Spur auch nach Österreich führen soll.

Laut BBC soll eine Person in Österreich mit umgerechnet knapp 140.000 Euro geschmiert worden sein, dies sei das höchste bisher bekannt gewordene Bestechungsgeld gewesen. Schon im Zuge der Ermittlungen in Bochum, wo der bisher prominenteste Wettbetrüger Ante Sapina im Vorjahr zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden war - der Prozess muss wegen Formfehler allerdings neu verhandelt werden -, waren Hinweise auf Verbindungen nach Österreich aufgetaucht.

Insgesamt gerieten damals fünf Partien mit der Beteiligung heimischer Klubs unter Verdacht, nicht immer seien die mutmaßlichen Manipulationsversuche allerdings erfolgreich gewesen. Der ÖFB hat die aus Bochum weitergeleiteten Informationen damals an die Behörden übergeben. Konkrete Ergebnisse gibt es aber noch nicht, die Ermittlungen laufen. "Ich kann nur sagen, dass Betrugsverfahren gegen 20 Personen im Zusammenhang mit manipulierten Fußballspielen und den Wetten darauf beziehungsweise wegen des Verdachts der Geldwäsche laufen. Aber nicht nur gegen Spieler", sagt Hansjörg Bacher, Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Graz. Bundesliga-Vorstand Georg Pangl erklärt, dass man aktuell keine neuen Informationen erhalten habe.

Da Europol sich bedeckt hält, ist auch unklar, wie viele der nunmehr genannten Spiele tatsächlich neu unter Verdacht geraten sind. Denn in Bochum geht man davon aus, dass viele ohnehin schon bekannt gewesen und verhandelt worden seien. Abgesehen von jenen Fällen, in denen Sapina und seine Komplizen die Hauptrolle gespielt haben, gab es zuletzt in vielen europäischen, asiatischen und afrikanischen Ländern Wett- und Manipulationsskandale, die noch einer Aufklärung harren.

So oder so muss sich der internationale Fußball nun jedenfalls erneut mit einer Problematik beschäftigen, die nur schwer in den Griff zu bekommen scheint. Zwar haben die Uefa und die Fifa schon seit längerem Frühwarnsysteme installiert, doch diese funktionieren aufgrund der Unüberschaubarkeit des Marktes und der Möglichkeit, von überall auf der Welt live auf Ergebnisse und Spielereignisse wie Karten und Elfmeter in beinahe allen Ligen zu wetten, nur mangelhaft. Insgesamt werden im Wettgeschäft jährlich bis zu 600 Milliarden Euro umgesetzt. Erst kürzlich hatte Uefa-Präsident Michel Platini den Wettbetrug als "größte Gefahr für den Fußball" bezeichnet. Das dürfte sich durch die nun aufgetauchten Enthüllungen erneut bestätigen.