Auch ein Diego Maradona ist nicht unfehlbar. Vor wenigen Tagen noch hatte die argentinische Fußball-Ikone Joseph Blatter einen "Diktator auf Lebenszeit" genannt. Und kurze Zeit später schien sich diese Prophezeiung zu bestätigen.

- © Graphic News, Fifa Financial Report 2014, ESP Properties, IEG
© Graphic News, Fifa Financial Report 2014, ESP Properties, IEG

Obwohl US-Ermittlungen gegen 14 ehemalige Funktionäre des Weltfußballverbandes Fifa dessen Chef massiv in Bedrängnis brachten, obwohl auch die Schweizer Behörden Ermittlungen wegen der umstrittenen WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar aufnahmen, obwohl alle Welt den Rücktritt des seit 1998 amtierenden Präsidenten forderte und die Uefa eine sportpolitische Front gegen ihn eröffnen wollte, wurde er von den Kongress-Mitgliedern wiedergewählt.

Print Ali bin Al-Hussein hatte trotz bester Verbindungen letztlich keine Chance gegen den Sonnenkönig. Doch der dankte nun selbst ab. Am Dienstag erklärte Blatter bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz im Hauptquartier in Zürich, sich aus dem Amt zurückzuziehen. Er werde einen außerordentlichen Kongress einberufen, bei dem sein Nachfolger gewählt werden solle. Bis dahin – laut Blatter soll es "so rasch wie möglich passieren", einige Monate werden aber wohl noch vergehen – werde er bleiben.

"Die Fifa bedeutet mir mehr als alles, ich wollte das tun, was das Beste für den Fußball ist. Ich habe mich der Wahl gestellt, weil ich überzeugt war, das wäre das Beste für den Fußball", erklärte der Schweizer. "Doch obwohl mir die Mitglieder der Fifa ein weiteres Mandat gegeben haben, scheint das nicht von allen auf der Welt unterstützt zu werden."

Druck der Sponsoren

ÖFB-Teamchef Leo Windtner reagierte überrascht, äußerte allerdings die "Hoffnung auf eine neue Ära in der Fifa, die von Sauberkeit und Glaubwürdigkeit getragen ist. Es ist eine Chance für einen Neustart, und ich gehe davon aus, dass sich die Uefa dabei voll einbringen wird." Deren Chef Michel Platini indessen lobte seinen Widersacher für eine "schwierige Entscheidung, eine mutige Entscheidung – und die richtige Entscheidung".

Doch war es tatsächlich ein plötzlicher Gesinnungswandel zum Wohle des Fußballs? Oder war es viel eher der massive Druck, den die Sponsoren und die US-Ermittler ausübten, die immer näher an Blatters innersten Zirkel heranrückten, der diesen Schritt bewirkte? Zuletzt rückte schon Blatters Tochter aus, um ihn in einem Interview von jeglichem Korruptionsverdacht freizusprechen und sein Verantwortungsgefühl hervorzuheben. Es wirkte irgendwie verzweifelt. Wenige Stunden nach Blatters Rücktritt folgten US-Medienberichte, denen zufolge die US-Bundespolizei gegen Blatter ermittelt. Der US-Sender ABC berief sich auf mit dem Fall betraute Personen.

Valcke im Visier

Doch die Vorwürfe wurden immer lauter: Erst am Dienstagvormittag sah sich die Fifa bemüßigt, Gerüchte wegzuargumentieren, wonach Generalsekretär Jérôme Valcke, Blatters rechte Hand bei der Fifa, die Zahlung von zehn Millionen Dollar angewiesen hätte, die von einem Fifa-Konto auf eines geflossen sind, das vom umtriebigen Jack Warner verwaltet wurde. Laut Anklage soll es sich um Bestechungsgeld aus Südafrika für die WM 2010 gehandelt haben.

Laut Fifa und südafrikanischem Verband war es Geld für ein Entwicklungsprojekt für den karibischen Fußball. Abgesehen davon habe Valcke mit der Transaktion nichts zu tun gehabt, sie sei vielmehr vom damaligen Vorsitzenden der Finanzkommission, des im Vorjahr verstorbenen und von Korruptionsvorwürfen begleiteten Julio Grondona, genehmigt und statutengemäß durchgeführt worden. Allerdings tauchte dann am Nachmittag ein Brief des südafrikanischen Verbandes auf, in dem von dieser Zahlung die Rede war – adressiert ganz klar an Valcke, der damit immer mehr ins Zentrum der Kritik rückte.

Dieses Beispiel illustriert gut jenes Netz aus Geben und Nehmen, aus Förderbeträgen und Entwicklungshilfen, das über die Jahrzehnte gesponnen wurde und in dem sich Blatter, von dem schließlich schon früher bekannt war, dass er von dubiosen Geschäften zumindest gewusst haben musste, lange sicher fühlen konnte – bis die Schlinge dann offenbar doch zu eng wurde.