Unter den unzähligen Jubelnden waren besonders viele Mädchen und junge Frauen. In Japan, wo nur wenige Frauen eine aktive Rolle übernehmen, sind Vorbilder wie Sawa selten. Sie ist einerseits eine international erfolgreiche Fußballerin, die auch in den USA Karriere machte. Und das, obwohl sie mit 1,65 Metern Körpergröße viel kleiner als die meisten anderen Spielerinnen ist. Andererseits bietet sie in einem Land, das von Frauen in erster Linie fordert, "kawaii", also süß zu sein, genug Identifikationsfläche für junge Frauen. Stets behielt sie ihr Markenzeichen, ihre lange Mähne. Bei den Spielen trägt sie diese als Pferdeschwanz. Doch sie kann sich auch sehr traditionell japanisch geben: Bei der Auszeichnung zur Fußballerin des Jahres 2012 in Zürich trug sie eine elegante Hochsteckfrisur und einen pastellfarbenen Kimono.

Doch sich einfach auf solchen Lorbeeren auszuruhen, liegt der ambitionierten Fußballerin nicht. Kurz nach der Ehrung stieg sie wieder ins Training ein, dachte schon an die nächste Herausforderung: die Olympischen Spiele in London 2012. "Ich kann wohl erst aufhören, wenn ich das Fußballspielen an den Nagel hänge", wird Sawa zitiert.

Krankheiten und Verletzungen


Dann der Schock: Ihr wurde häufig schwindelig, sie konnte sich kaum mehr aufrecht halten. Die Ärzte diagnostizierten gutartigen, krampfartigen Schwindel. Einer der Gründe dafür kann Stress sein. Plötzlich musste die sonst omnipräsente Spielerin ihr Pensum zurückfahren. Viele fragten sich, ob Nadeshiko Japan auch ohne ihre Kapitänin siegen würden. Sie konnten - wie ihre Silbermedaille bei der Olympiade in London 2012 bewies.

Danach wurde es länger still um die Fußballerinnen, deren Team nach einer rosafarbenen Nelke, die für Bescheidenheit und Reinheit steht, benannt ist. "Nadeshiko" ist zugleich das Symbol für das traditionelle Frauenideal in Japan. Sawa kämpfte unterdessen weiter mit Krankheit und Verletzungen. Der letzte große Erfolg für sie waren die Asienspiele 2014, die Japan auch wieder gewann.

Spirituelles Rückgrat


Schon länger hatte sich abgezeichnet, dass sich das Team von Sawa, die zur Überfigur hochstilisiert worden war, freischwimmen musste. Für Trainer Norio Sasaki bedeutete dies konkret vor der aktuellen WM, ein schlagkräftiges Team unabhängig von der früheren Leitfigur aufzubauen. Er setzte auf Erfahrung, holte 17 Frauen ins Team von 23, die 2011 bei der WM in Deutschland dabei waren. Ein Jahr zuvor hatte er Aya Oshima zur Nachfolgerin von Sawa als Kapitänin bestimmt. Lange sah es so aus, als würde Sasaki auf die Torkönigin der jüngsten WM verzichten. Erst vor zwei Monaten holte er Sawa doch an Bord. "Ich habe sie nicht nur wegen ihrer Erfahrung ausgewählt", sagte Sasaki. "Sie ist eine Spielerin, die sich 90 Minuten lang voll konzentriert und ein hohes Maß an Technik und List mitbringt. Mit ihr ist das Team stärker."

Bisher schlugen sich Nadeshiko Japan bei der aktuellen WM beachtlich. In der Nacht auf Donnerstag (1 Uhr MESZ) spielen sie im Halbfinale gegen England um den Finaleinzug. Tore hat Sawa dazu bisher nicht beigetragen. Das übernehmen nun jüngere Spielerinnen. Sawa fungiert eher als das spirituelle Rückgrat der Mannschaft.

Doch auch mit bald 37 Jahren ist ihr sportlicher Ehrgeiz ungebrochen. Nächstes Jahr möchte sie an den Olympischen Spielen teilnehmen. Denn die olympische Goldmedaille fehlt noch in ihrer Sammlung. Diesen Erfolg wünscht sich die Pionierin aber nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre jüngeren Kolleginnen. "Resultate bei Olympia werden nötig sein, um sicherzustellen, dass die Beliebtheit des Frauenfußballs nicht nur vorübergehend ist."