Zürich. Eigentlich hätte Joseph Blatter am Freitag um 15 Uhr vor die internationale Presse treten wollen, um über die neuesten Schritte des von ihm initiierten Reformprozesses im Weltfußballverband zu berichten. Doch unmittelbar vor dem geplanten Termin wurde dieser ohne Angabe von Gründen abgesagt. Die Sportwelt rätselte einige Stunden darüber - und wurde dann rasch aufgeklärt. Und zwar von niemand Geringerem als der Schweizer Bundesanwaltschaft. Die hat nämlich den mächtigen Fifa-Präsidenten nach der mit Spannung erwarteten zweitägigen Sitzung des Exekutivkomitees am Freitag kurzerhand einvernommen - und zwar als Beschuldigten. Es ist die nächste Bombe, die im globalen Fifa-Korruptionsskandal platzte.

Konkret wurde gegen den 79-jährigen Schweizer ein Strafverfahren "wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie - eventualiter - wegen Veruntreuung eröffnet", wie die Behörde mitteilte. Das am Donnerstag offiziell eröffnete Verfahren fußt vor allem auf einem im Spätsommer 2005 abgeschlossenen Vertrag von Blatter als Fifa-Boss mit dem Präsidenten der karibischen Fußball-Union, der damals Jack Warner hieß.

Laut Medienberichten hatte Blatter damals TV-Übertragungsrechte für die WM-Turniere 2010 und 2014 für 600.000 US-Dollar an Warner verkauft. Dieser soll die Rechte dann zwei Jahre später nach Schätzungen für 15 bis 20Millionen Dollar weiterverkauft haben.

Warner ist eine der Schlüsselfiguren des im Mai bekannt gewordenen Korruptionsskandals, der schließlich zum angekündigten Abgang Blatters an der Fifa-Spitze geführt hat. Warner befindet sich aktuell in Trinidad und Tobago gegen Kaution auf freiem Fuß.

Laut Staatsanwaltschaft könnte Blatter einen "ungünstigen Vertrag" abgeschlossen haben und dabei "in Verletzung seiner Treuepflichten gegen die Interessen der Fifa" verstoßen haben.

Millionen an Platini

Brisant ist aber auch ein zweiter Punkt, der Blatter angelastet wird: So soll der Fußball-Patriarch im Februar 2011 eine "treuwidrige Zahlung" in Höhe von zwei Millionen Schweizer Franken (nach damaligem Kurs rund 1,5Millionen Euro) an Uefa-Präsident Michel Platini geleistet haben - und zwar "angeblich für die zwischen Jänner 1999 und Juni 2002 geleisteten Dienste".

Damit wird nun auch der französische Ex-Fußball-Star in den Skandal hineingezogen, schließlich war Platini einst der Ziehsohn Blatters; nach einem Zerwürfnis wurde Platini zwar dessen schärfster Kritiker, beim Fifa-Kongress im Februar 2016 gilt er allerdings als aussichtsreichster Kandidat auf die Blatter-Nachfolge. Ob die kolportierte Unterstützung mehrerer Kontinentalverbände für Platini angesichts der jüngsten Entwicklungen weiter besteht, ist allerdings fraglich. Die Bundesanwaltschaft betonte freilich, dass Blatter als Beschuldigter einvernommen wurde, Platini indes als "Auskunftsperson". Zudem wurde mitgeteilt, dass am Freitag von der Bundeskriminalpolizei eine Hausdurchsuchung im Fifa-Hauptquartier in Zürich durchgeführt wurde, bei der auch das Büro Blatters durchsucht und Datenmaterial sichergestellt worden sei.

Das nun eingeleitete Verfahren könnte den für Februar angekündigten Rücktritt beschleunigen - der 79-Jährige ist für die Fifa längst zur Hypothek geworden. Aus Angst vor einer Verhaftung meidet Blatter nunmehr Reisen ins Ausland zu wichtigen Terminen.