Buenos Aires/Yokohama. Wo wäre wohl der Weg von River Plate geendet, hätte sich der damalige Präsident Daniel Passarella auf einer seiner berüchtigten Europareisen nicht eine so hohe Kreditkartenabrechnung eingehandelt. Ganz hoch hinaus und nahezu in den sechsstelligen Bereich, so meldeten es damals die staunenden argentinischen Gazetten, hatte der Kapitän der argentinischen Weltmeistermannschaft von 1978 die Plastikkarte des Klubs ausgereizt. Wo und mit wem auch immer Passarella diese Rechnungen angehäuft hatte, es sollte sein Geheimnis bleiben. Es war jedenfalls auch das einzige Betätigungsfeld, in dem River-Präsident Passarella für Höchstleistungen sorgte.
Ansonsten wurde die Funktionärs-Ära Passarellas, des einzigen argentinischen Fußballers, dem das Glück zu Teil wurde, an beiden WM-Gewinnen als Spieler beteiligt gewesen zu sein, vor allem durch Pleiten, Pech und Pannen gekennzeichnet. Unter Passarellas Leitung stieg der Klub im Juni 2011 gar in die zweite Liga ab. Es ist die dunkelste Stunde des argentinischen Vereinsfußballs, denn zeitgleich mit der River-Elf versank damals auch noch ein Teil des berühmten Stadions Monumental in Schutt und Asche - weil die wütenden Fans des Traditionsvereins am Tag des Abstiegs wie von Sinnen brandschatzend und eine Spur der Verwüstung durch Buenos Aires hinter sich herziehend ihren Frust in einem Akt roher Gewalt auslebten.
Aber den Abstieg Rivers nutzten die Fans des Lokalrivalen Boca Juniors erst einmal nicht zur gemeinschaftlichen Häme. Zu groß war der Schmerz, dass die beiden wichtigsten Feiertage des Jahres nun ausfallen sollten: die Superclassicos, die Duelle zwischen River und Boca, die seit jeher die Massen elektrisierten und Diego Maradona auf der Tribüne gelegentlich auch den letzten Rest Anstand verlieren ließen, wenn er wieder mal im Rausch sein Oberhemd den Massen zuwarf. Der Abstieg, die vielen Skandale und schließlich die absonderliche Kreditkartenabrechnung beendeten schließlich die Ära Passarella an der Spitze des Klubs.
Trainerstar Marcelo Gallardo
Der hat sich seitdem neu aufgestellt und schaffte es in nur vier Jahren vom Zweitligisten bis ins Finale der Klub-Weltmeisterschaft, wo am Sonntag der FC Barcelona auf River wartet (11.30 Uhr MEZ). Eng verbunden mit dieser märchenhaften Verwandlung vom Aschenputtel hin zu Südamerikas Supermacht ist ein fleißiges Trio: Präsident Rodolfo DOnofrio, Manager Enzo Francescoli und Trainer Marcelo Gallardo.
DOnofrio unterlag einst in einem schmutzigen Wahlkampf gegen Passarella ums Präsidentenamt, ehe er dann 2013 selbst nach dem Zepter der Macht griff. Dem ehemaligen Spielmacher Enzo Francescoli liegen sie in der Hauptstadt ohnehin zu Füßen, war der Uruguayer doch in den goldenen Zeiten des vergangenen Jahrhunderts an nahezu allen Erfolgen als Spieler beteiligt. Und der jugendliche Coach Marcelo Gallardo ist dabei, zu einer Art neuem Superstar unter den südamerikanischen Trainern zu werden. Alles was die drei anpacken, scheint zu Gold zu werden. Gallardo gewann 2014 zunächst die Copa Sudamericana, vergleichbar der Europa League, und dann ein Jahr später die südamerikanische Königsklasse, die Copa Libertadores. Dass Gallardo trotzdem nicht unter den drei besten Trainern der Welt zu finden ist, aus denen im Januar der beste Coach der Welt gekürt werden soll, verstehen die argentinischen Fans nicht einmal im Ansatz.
Im Gegensatz zu Pep Guardiola hat Marcelo Gallardo in den vergangenen 18 Monaten gleich zwei internationale Klubtitel geholt. Der dritte könnte am Sonntag folgen. Und die Krone des Weltfußballs ist gerade gut genug. Denn nichts lieben die River-Fans so sehr, wie dem Lokalrivalen Boca Juniors die Show zu stehlen. Der hatte zunächst vor ein paar Wochen mit viel Tam Tam Rückkehrer Carlos Tévez präsentiert und war dann auch noch Meister geworden. Doch als Klub-Weltmeister zurück nach Buenos Aires zu kommen und dabei den großen FC Barcelona geschlagen zu haben - das hätte was. Da könnten selbst Tévez und seine Boca-Kollegen nur noch staunend am Straßenrand stehen und Beifall klatschen. Und für River Plate wäre dann auch die Scharte des schmachvollen Abstiegs 2011 endgültig ausgewetzt.