
Berlin. Die Mittagspause zwischen Vormittags- und Nachmittagstraining verbringt Christopher Trimmel (30) im Vereinszentrum des 1. FC Union Berlin in Köpenick. Der Rechtsverteidiger, seit Sommer 2014 in Berlin, wohnt im Stadtzentrum, die Fahrt dorthin würde eine halbe Stunde dauern. Im Pressekonferenzraum nebenan wird kurz nach dem Interview mit der "Wiener Zeitung" Trimmels neuer Konkurrent Atsuto Uchida vorgestellt, der von Schalke 04 gekommen ist. "Wenn ich einmal gesperrt oder verletzt bin, ist es gut, einen zweiten Spieler für die Position zu haben", sagt Trimmel, der in den vergangenen drei Jahren fast hundert Spiele für den Zweitligisten Union Berlin bestritten hat.
"Wiener Zeitung": Sie leben seit drei Jahren in Berlin. Wie gefällt es Ihnen hier?
Christopher Trimmel: Die Stadt lebt immer, ganz egal, zu welcher Uhrzeit und an welchem Tag. Es sind viele junge Leute hier, und es ist sehr international. Ich wohne zentral und habe alles direkt vor der Haustüre. Von der Architektur her geht aber nichts über Wien, das bleibt für mich die schönste Stadt. Aber das Leben hier ist schon toll.
Auch sportlich betrachtet durchleben Sie eine erfolgreiche Zeit. In der vergangenen Saison war Union lange auf Aufstiegskurs.
Es gab bislang jedes Jahr eine Entwicklung, seitdem ich hier bin. In meiner ersten Saison wurden wir Siebter, in der zweiten Sechster, und voriges Jahr sind wir Vierter geworden. Der Verein wächst, und es ist schön, dass ich das miterleben darf. Wir gehen jetzt nicht davon aus, dass wir heuer Erster werden, aber wir wollen uns immer verbessern. Wenn man eins und eins zusammenzählt, weiß man also, wohin wir wollen.
Sie sind einer jener Spieler, die am längsten in der Mannschaft dabei sind. Inwiefern lassen sich im Team Freundschaften aufbauen, wenn halbjährlich viele Spieler kommen und gehen?
Freunde sind sie schon alle. Aber ich muss jetzt nicht privat jeden zweiten Tag etwas machen. Das ist auch gar nicht so leicht, weil Berlin riesig ist. Einzelgänger kommen in einem Teamsport aber sicher nicht zurecht. Es ist sehr schade, wenn dir ein Mitspieler ans Herz gewachsen ist und dann wechselt er woanders hin.
Was macht den 1. FC Union Berlin so besonders?
Es ist ein sehr familiärer Verein mit engem Kontakt zu den Fans und den Mitarbeitern. Die Fans haben sich beim Stadionbau einbringen können und quasi mitgebaut, das ist schon sehr speziell. Auch die Stimmung ist herausragend. Ich habe nicht einmal erlebt, dass uns die Fans ausgepfiffen haben. Das ist sicher einzigartig. Jetzt mit dem Stadionausbau wird alles noch größer.
Besteht bei all dem Wachstum und dem Stadionausbau nicht die Gefahr, dass der Verein seinen Charakter verliert?
Ich glaube nicht. Das Wichtigste sind die Stehplätze. Der Verein achtet darauf, dass die erhalten bleiben. Ich habe die Entwürfe des umgebauten Stadions gesehen, und da sind wirklich alle Wünsche abgedeckt. Das ist eine perfekte Mischung.
Wie verträgt sich das Image des Ostberliner Arbeitervereins mit der fortschreitenden Kommerzialisierung im Fußball?
Jeder weiß, dass es ohne Geld nicht geht. Ich glaube aber auch, dass sich die Leute etwas Größeres verdient haben. Man sieht das immer wieder bei den Topspielen. Da gibt es einen extremen Ansturm auf die Tickets.
Sie sind jetzt 30 Jahre alt. Wie planen Sie die weitere Karriere?
Solange es mir noch Spaß macht und der Körper es zulässt, möchte ich spielen. Aber mit 32, 33 Jahren ist es so, dass junge Spieler bevorzugt werden. Da werde ich dann sehen, wie es weitergeht. Was die Karriere danach betrifft, bin ich mittlerweile schon sehr fleißig mit dem Tätowieren.
Möchten Sie denn als Tätowierer arbeiten?
Wenn ich nach der Fußballkarriere als Tätowierer arbeite, habe ich es zwei Mal geschafft, eine Leidenschaft von mir zum Beruf zu machen. Es gibt nichts Schöneres. Nach dem Training oder nach den Spielen male und zeichne ich oft. Da sind gleich fünf Stunden weg, aber es macht mir irrsinnig Spaß. Bis jetzt habe ich Verwandte, Freunde und Teamkollegen tätowiert. Es ist ein heikles Thema, dass ich etwas ganz anderes machen möchte. Fast alle wollen nach der Karriere im Sport bleiben. An den Trainerschein habe ich bis jetzt nie gedacht.
Sie sind auch einer der wenigen Profifußballer, die ein Studium begonnen haben . . .
Ich habe drei Semester lang Sport und Geographie auf Lehramt studiert. Damals habe ich bei den Rapid Amateuren gespielt, damit ich mir das Studium finanzieren kann. Dann habe ich aber innerhalb eines Jahres den Sprung in die erste Mannschaft geschafft und deswegen das Studium auf Eis gelegt, weil ich die Chance gesehen habe.
Sie sind erst mit 23 Jahren Profi geworden . . .
Es war ein Vorteil, dass ich mit 15 Jahren in der Burgendlandliga gegen Erwachsene gespielt habe. Da lernst du, dich durchzusetzen. In einer Akademie spielst du immer nur gegen Gleichaltrige. Die Durchsetzungskraft war meine Stärke. Technisch waren mir bei den Rapid-Amateuren alle überlegen.
Ihr Spielstil ist auch heute noch von Krampfkraft und Willensstärke geprägt.