Ein Anschlag auf eine nahegelegene Fabriksanlage des Mineralölkonzerns Aramco und Vergeltungsangriffe der saudischen Luftwaffe halten die Formel 1 nicht von der Austragung des Grand Prix von Saudi-Arabien ab. In einem Sondermeeting am Freitagabend einigten sich die Teams auf die Fortsetzung des Formel-1-Wochenendes in Jeddah. "Das ist vermutlich der sicherste Ort, an dem man momentan in Saudi-Arabien sein kann. Darum werden wir fahren", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf Sky. Er betonte, dass zwischen den Teamchefs Einigkeit über die Entscheidung geherrscht habe. "Es war ein gutes Meeting. Uns Teamchefs wurde versichert, dass wir hier geschützt sind."
Nach langen Diskussionen erklärten dann auch die Piloten, dass der Grand Prix stattfinden soll. "Gestern war ein schwieriger Tag für die Formel 1 und ein aufreibender Tag für uns Formel-1-Fahrer", hieß es in einem Statement der Fahrergewerkschaft GPDA. "Es war schwierig, ein voll konzentrierter Rennfahrer zu bleiben und alle natürlichen menschlichen Bedenken auszuschalten, wenn man den Rauch von dem Vorfall gesehen hat."
Zum Ende der ersten Einheit hatten eine Explosion und eine große Rauchwolke wenige Kilometer entfernt für Aufregung im Fahrerlager gesorgt. Jemenitische Huthi-Rebellen hatten nach eigenen Angaben bei einer weiteren Raketen-Attacke erneut eine Anlage des Ölkonzerns ins Visier genommen. Die Rauchschwaden waren auch von der Strecke aus zu sehen. Auf Sozialen Netzwerken kursierten Videos von weiteren Explosionen in Jeddah. Die Rede war von insgesamt 16 Angriffen der Houthi-Rebellen auf Ziele in Saudi-Arabien, unter anderem auf ein Kraftwerk und mehrere Öl-Anlagen.
"Ich fühle mich hier sicher
Die Houthi-Rebellen erklärten, sie hätten bei der Angriffsserie mit Raketen und Drohnen auch mehrere "wichtige Einrichtungen" in der Hauptstadt Riad attackiert. Mit ihren Angriffen auf Öl-Anlagen versuchten sie, "den Nerv der Weltwirtschaft zu treffen", sagte ein Sprecher der von den Saudis angeführten Militärkoalition im Jemen. Saudi-Arabien ist der größte Öl-Exporteur der Welt. Ein Vertreter des saudischen Energieministeriums warnte am Freitag vor der Bedrohung, die diese Angriffe "für die Sicherheit der weltweiten Versorgung mit Öl" darstellten.
Der Angriff ereignete sich während des freien Trainings für das Formel-1-Rennen. "Uns wurde aber von der Regierung die Versicherung gegeben, dass es hier sicher ist zu fahren", sagte Haas-Teamchef Günther Steiner auf ServusTV nach einem Meeting der Team-Manager und Fahrer mit der FIA und dem lokalen Veranstalter. Er fühle sich aktuell sicher, so Steiner. "Wenn ich mich nicht sicher fühlen würde, wäre ich auch nicht hier."
"Eine Drohne, die angeblich vom Jemen abgeschickt wurde, ist durch das Sicherheitssystem durchgedrungen", berichtete Red Bulls Konsulent Helmut Marko. Auch er meinte, "dass es das Richtige ist", den Grand Prix stattfinden zu lassen. Marko erwartete aber ebenfalls noch "von offizieller Seite eine Erklärung", "wie die Sicherheit gewährleistet werden kann".
Zeitpunkt wohl kein Zufall
Der Zeitpunkt des Angriffs auf eine Anlage eines Großsponsors der Formel 1 ist wohl kein Zufall. "Wir sind völlig unerwartet in diese Situation gekommen. Ich glaube, dass von diesen Terroristen bewusst der Grand Prix ausgesucht wurde, weil sie dadurch die größte Publicity kriegen", sagte Marko.
Zumindest das sportliche Geschehen rückte in den Hintergrund. Bahrain-Sieger Charles Leclerc gab auch auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Jeddah das Tempo vor. Zweimal verwies der Ferrari-Pilot aus Monaco den Weltmeister Max Verstappen im Red Bull auf Platz zwei.
Allerdings mussten Leclerc und sein drittplatzierter Teamkollege Carlos Sainz im zweiten Freien Training vorzeitig ihre beschädigten Autos abstellen, nachdem sie jeweils leicht die Streckenbegrenzung touchiert hatten. Verstappen war da 14 Hundertstelsekunden langsamer als Leclerc. Lewis Hamilton hatte in seinem Mercedes 0,439 Sekunden Rückstand. Gleich elf Autos lagen innerhalb von einer Sekunde.
Erst am vergangenen Sonntag hatten Huthi-Rebellen Angriffe gegen Saudi-Arabien mit einer Rakete und Drohnen gestartet. Dabei war auch eine Anlage von Aramco in Jeddah getroffen worden, an einem Öltank brach Feuer aus.
Saudi-Arabien kämpft im Jemen gegen die Huthi-Rebellen. Der Krieg hat eine der größten aktuellen humanitären Katastrophen ausgelöst. Aramco ist Hauptsponsor der Formel 1 und auch wichtiger Geldgeber des britischen Rennstalls Aston Martin. (apa/dpa/reuters)