Immer wieder tönt es "Quaffle!" und "Bludger!" über die Jesuitenwiese im 2. Wiener Gemeindebezirk. 14 Personen mit Plastikstangen zwischen den Beinen laufen umher und versuchen, einen Ball durch ringförmige Tore zu befördern. Zumindest "Harry Potter"-Fans dürfte klar sein, was hier gespielt wird - das aus der Zauberwelt bekannte Quidditch, in unseren Breitengraden muss die Sportart allerdings ohne Magie auskommen.

Dennoch mutet es beinahe mystisch an, wie die Vienna Vanguards, das älteste Quidditch-Team Österreichs, unter den herannahenden Gewitterwolken trainieren. Dabei entfernt sich der Sport immer mehr von seiner fiktiven Vorlage und der Welt der Zauberei. Erst kürzlich wurde vom internationalen Quidditch-Bund eine Namensänderung beschlossen. Das im Jahr 2005 von zwei Studenten in den USA entwickelte Quidditch heißt nun Quadball.

Verschiedene Gründe für die Namensänderung

Das liegt einerseits an der "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling. Ihr wird aufgrund einiger Äußerungen Transphobie vorgeworfen; selbst Daniel Radcliffe und Emma Watson, die Hauptdarsteller der Filme, distanzierten sich öffentlich von ihr. Gerade in einer der wenigen Sportarten, die gemischtgeschlechtlich ausgetragen wird und sich selbst als inklusiven Raum sieht, seien solche Aussagen kritisch zu betrachten, meint auch Julian Prast von den Vienna Vanguards: "Wenn der Sport sehr für Inklusion einsteht, ist es wichtig, sich von solchen Aussagen zu distanzieren."

Doch das war nicht der einzige Grund für die Umbenennung. Der Sport möchte weiter wachsen, mit dem Namen Quidditch wäre das nicht möglich gewesen. Schließlich besitzt die US-Filmgesellschaft Warner Bros die Urheberrechte für den Begriff, was sowohl Reichweite als auch Finanzierung einschränkt. "Je professioneller der Sport wird, umso eingeschränkter bist du", sagt dazu Vanguards-Obfrau und Trainerin Josephine Röser. Sie findet auch die Abgrenzung vom fiktiven "Harry Potter"-Spiel positiv, habe doch der Sport nicht viel mit der literarischen Vorlage zu tun: "Diese Trennung zu haben, kann schon hilfreich sein, weil die Leute kein Bild im Kopf haben und es als komplett neuen Sport betrachten."

Meinungen gehen auseinander

Doch nicht überall trifft die Namensänderung auf große Zustimmung, auch die Meinungen innerhalb der Vienna Vanguards sind gespalten. "Die Gründe sind einerseits nachvollziehbar, aber andererseits weiß ich nicht, was das mit dem Sport macht, wenn er jetzt Quadball heißt", sagt etwa Matthias Renner. So könne es für die Rekrutierung Vorteile bringen, da Interessenten nicht mehr abgeschreckt werden. Es könne aber auch ein Nachteil sein, wenn sich diese nichts mehr darunter vorstellen können.

Der neue Name leitet sich jedenfalls von der Anzahl der Bälle und Positionen im realen Spiel ab, nämlich vier. Beschäftigt man sich näher mit der Sportart, die mittlerweile von beinahe 600 Teams aus 40 Ländern weltweit ausgeübt wird, entstehen bald Fragezeichen - das Regelbuch umfasst mehr als 150 Seiten. "Lernen muss man davon ungefähr die Hälfte, bis man es wirklich verstanden hat, dauert es länger. Das ist ein ongoing process", erklärt Renner, der nicht nur selbst spielt, sondern auch ausgebildeter Schiedsrichter ist.

Das Ziel: Tore erzielen und Punkte sammeln

Das Grundprinzip der Vollkontaktsportart, die Elemente aus Handball, Rugby und Völkerball vereint, wird allerdings auch auf der Jesuitenwiese rasch klar und ist schnell erklärt. Die Chaser (Jäger) werfen sich einen Volleyball (Quaffle) zu und versuchen ihn in einem der drei Torringe unterzubringen, um zehn Punkte zu erhalten. Daran werden sie von den sogenannten Beatern (Treiber) gehindert, die die Chaser, ebenfalls mit Bällen (Bludger), abschießen und damit kurzfristig aus dem Spiel nehmen. Nach 17 Minuten kommt schließlich der Schnatz (Snitch) ins Spiel, im realen Spiel kein goldener Ball mit Flügeln, sondern eine neutrale Person, an deren Hose eine gelbe mit einem Tennisball gefüllte Socke hängt. Wird diese von einem der Teams abgerissen, bringt das ganze 30 Punkte, und das Spiel ist vorbei. Sieger ist die Mannschaft mit den meisten Punkten.

Der Quaffle wird vom Chaser durch das ringförmige Tor befördert. 
- © Anna Koivu

Der Quaffle wird vom Chaser durch das ringförmige Tor befördert.

- © Anna Koivu

Charakteristisch dabei sind die Besen, die die Spieler das gesamte Match über zwischen den Beinen behalten müssen. Allerdings handelt es sich dabei nicht wie in der fiktiven Vorlage um fliegende Besen, Plastikstangen müssen genügen.

Eine Hauptmotivation für die Vienna Vanguards, den Sport auszuüben, ist der taktische Aspekt. "Ich mag, dass es komplex ist. Dadurch, dass es so viele verschiedene Positionen gibt, finden sich auch verschiedene Rollen und es kann jeder mitmachen", meint Röser. Auch Prast, der erst seit knapp einem Jahr dabei ist, meint: "Es ist ein Spiel, das sehr viel Überblick erfordert, sehr viel schnelles und auch kreatives Denken."

Der Teamgedanke spielt eine wichtige Rolle

Ein zweites wichtiges Gut ist im 2014 gegründeten Verein aber auch die Gemeinschaft und der Teamgedanke. "Das ist super cool. Eigentlich ist die Sportart ein Paradebeispiel für Inklusion in Österreich. Gleichberechtigung wird großgeschrieben, unabhängig von Größe, Alter und Gender-Identität kann man mitwirken und wird respektiert", bekräftigt Prast.

Wichtig ist Obfrau Röser aber auch zu betonen, dass nicht nur Fans der "Harry Potter"-Welt die Sportart ausüben können: "Durch die Umbenennung sind wir jetzt eh noch einmal weiter weg von den Büchern. Es gibt bei uns Leute, die Fans sind, es gibt aber auch Mitglieder, die weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen haben und sich danach erst anschauen, wie das in der fiktiven Vorlage eigentlich ist."

Ob Fan oder Nicht-Fan: Für die Vienna Vanguards beginnt nun wieder das Vorbereitungstraining für die nächsten Wettkämpfe. Im Herbst stehen in der Central European League und im Austrian Cup die nächsten Spiele auf dem Programm.

Dem Aufwärmen folgen auf der Jesuitenwiese daher technische Übungen für Chaser und Beater. Spätestens als die ersten Spieler danach ihren Zahnschutz einsetzen, wird klar, dass es nun zur Sache geht und Quadball seiner Bezeichnung als Vollkontaktsportart alle Ehre macht. Einige Trainingsspiele werden zum Abschluss noch absolviert. Was dabei fehlt, ist lediglich der Schnatz.