"Wiener Zeitung:" Seit 2003 erscheint im Fußballmagazin "ballesterer" die Serie "Fußball unterm Hakenkreuz", die sie gegründet haben und seither betreuen. War das von Beginn an als Serie geplant?

David Forster: Ja, schon. Vor zehn Jahren bin ich mit zwei Redakteuren vom "ballesterer" im Café Prückl gesessen. Da habe ich das konzipiert und auf einer Serviette die ersten fünf Teile vorgeschlagen. Die Idee war, anhand von Austria und Rapid die österreichische Geschichte zu erklären. Rapid sieht sich gerne als widerständisch, die Austria wiederum nur als Opfer des Nationalsozialismus. Und mein Gedanke war: Die Zweite Republik hat auf derselben Basis begonnen. Opfertheorie auf der einen, die Betonung des Widerstandes auf der anderen Seite. Mit Rapid und Austria kann man das alles erklären.

Was haben sie damals über den Fußball jener Zeit gewusst?

Ein bisschen was, aber eigentlich nicht viel. Es war aber auch Ziel der Serie, hinter diese Mythen zu schauen, die in der Fußballgeschichtsschreibung populär waren.

Es gibt nun schon 29 Teile dieser Serie. Ist dieses Forschungsthema unerschöpflich?

Es ist noch sehr viel nicht gemacht worden, die Klubgeschichten der Austria, der Vienna, der Admira. Das Thema ist immer noch in unüberschaubarer Weise unerschöpflich. Ich stoße ja auch während meiner normalen beruflichen Tätigkeit immer wieder auf die Fußballer. Egal, ob ich zu Nazi-Militärjustiz oder zur jüdischen Gesellschaft der dreißiger Jahre arbeite, irgendwo finde ich immer Fußballergeschichten.

Also zufällig?

Naja, wenn ich zur jüdischen Gemeinde der 30 Jahre arbeite, ist es nicht erstaunlich, denn es gab halt jüdische Fußball-Funktionäre. Bei der Nazi-Militärjustiz hat es mich verblüfft. Ich habe über österreichische Wehrmachtsdeserteure geforscht, plötzlich finde ich Fußballer als Opfer und Täter, wie etwa den Rapid-Spieler Fritz Durlach, der als Kriegsverbrecher verurteilt worden ist.

Die Forschungen und Publikationen hatten bisweilen auch direkte Konsequenzen, welche?

Zum einen hat unsere Arbeit eine neue Phase in der österreichischen Fußballgeschichtsschreibung eingeläutet. Es gab aber auch konkrete Auswirkungen, wobei die bekannteste sicher die Gedenktafel am Happel-Stadion ist, die auch mit einer Geschichte für den "ballesterer" begonnen hat. Aber auch bei anderen vergangenheitspolitischen Baustellen, etwa der Sindelar-Debatte, hat "Fußball unterm Hakenkreuz" Spuren hinterlassen.

Kann man eine Generalaussage tätigen, wie das NS-Regime den Fußball in Österreich beeinflusst und benützt hat?

Ich bin generell kein Freund von Generalaussagen. Bei der Serie geht es ja um Grauzonen. Inwieweit die Nazis den österreichischen Fußball benützt und kontrolliert haben, ist wahnsinnig schwer zu sagen. Es wäre in jedem Fall falsch, zu sagen: Der österreichische Fußball wäre widerständisch gewesen. Es ist alles wesentlich komplizierter.

Da sind wir wieder bei den Mythen, die es aus dieser Zeit gibt, etwa dem "Anschlussspiel" im April 1938 oder Rapids Meisterschaft 1941. Sind diese Mythen für den Fußball nicht auch sehr wichtig?

Als Fußballfan wäre es mir oft lieber, solche Mythen nicht zu dekonstruieren. Auch als Austrianer wär’s mir lieber, wenn der Sindelar ein Guter gewesen wäre. Aber so einfach ist das nicht, wenn man die Quellen betrachtet. Dann fängt man an, in diesen Grauzonen herumzustochern. Als diese Mythen aber konstruiert wurden, haben sie schon alle einen Sinn erfüllt, etwa Österreich als Opfer darzustellen. Und diesen Mythos kann man schon aufdröseln.

Wird diese umfassende Serie irgendwann auch in Buchform erscheinen?

Es hat schon Anfragen von Verlagen gegeben, und es gab auch schon ganz früh den Gedanken, das als Buch herauszubringen. Das wird es auch bestimmt geben. Aber so einfach ist es nicht, weil es dann wieder mein Ehrgeiz wäre, die Geschichten umzuschreiben. In gewisser Weise müsste ich wieder von vorne anfangen.