Wien. "Wer kämpft da?" Der junge Mann schüttelt leicht mit dem Kopf und blickt auf den Boxring, den Arbeiter wenige Stunden zuvor im Zentrum der Wiener Lugner-City aufgebaut hatten. "Nichts wissen", meint er kurz. Es dauert nicht lange, bis ihm ein Jugendlicher mit Stehfrisur einen Handzettel in die Hand drückt. Marcos Nader? Nein, den kenne er nicht. Aber: "Boxen gut", fügt er hinzu. Das findet auch sein Begleiter, der wie dutzende andere Schaulustige vor dem Ring Aufstellung genommen hat. "Kann man sich das anschauen?", fragt er und deutet auf den Flyer. Karten könne man im Internet um 30 Euro das Stück kaufen, antwortet der Bursche mit der Stehfrisur. Und noch während die beiden jungen Männer überlegen, fügt er hinzu: "Es geht ja immerhin um den EU-Titel."
Und der wiederum gilt als Türöffner für einen Titelkampf um die EM-Krone. Tatsächlich zählt Nader mit seinen jungen 22 Jahren bereits jetzt zu Europas talentiertesten Boxern. Seit dem Eintritt als Profi-Mittelgewichtboxer beim deutschen Boxstall Sauerland 2009 ist der Wiener mit österreichisch-serbischen Wurzeln nach 16 Kämpfen ungeschlagen. Am Freitag soll jetzt der erste Titel her: Dann trifft Nader im Multiversum Schwechat auf den Titelverteidiger aus Spanien: Roberto Santos. Der will es dem Österreicher nicht wirklich leicht machen: "Ich werde alles dafür tun, um diesen Titel am 2. November zu verteidigen", ließ der 31-Jährige im Vorfeld der Begegnung ausrichten. Und in Richtung Nader ätzte Santos: "Ich bin der Champion, Nader ist der Lokalmatador."
Für den Wiener Herausforderer muss das kein Nachteil sein. Das weiß auch Naders Sprachrohr Siggi Bergmann. Das Mikrofon in der Hand führt der Doyen der Boxreporter durch das Schautraining in der Einkaufspassage. Vor der Absperrung haben sich in der Zwischenzeit mehrere kleine Trauben gebildet. "Unser Marcos muss bei diesem Titelkampf durch insgesamt zwölf Runden gehen", erinnert Bergmann die Zuseher. "Und das kann die Hölle sein." Was Nader deshalb am Freitag benötige, sei "die dritte Faust", also die Unterstützung des Publikums, ruft er. Naders Boxstall Sauerland rechnet mit einem "vollen Haus". Das Multiversum hat 2500 Plätze.
Nader: "Er ist ein Wühler"
Zwei Etagen höher lehnt ein junger Bursch unweit der Rolltreppe am Geländer und beobachtet, wie Marcos Nader unter dem Beifall der Schaulustigen in den Boxring geholt wird. Die Frage, ob er sich den Titelkampf Nader-Santos in Schwechat anschauen werde, verneint der junge Mann. "Boxen interessiert mich, aber ich sehe mir das lieber im Fernsehen an", sagt er. Gelegenheit dazu wird er auch haben: Der Boxabend wird live in ORF Sport Plus ab 19.45 Uhr übertragen.