Atlanta/Boston. Wer an Football denkt, denkt zwangsläufig an Joe Montana. Und wer an Joe Montana denkt, denkt an die San Francisco 49ers. Sogar in Europa ist diese Liaison, die als die erfolgreichste in der Geschichte der amerikanischen Footballliga NFL gilt, vielen ein Begriff. Mit Montana gewann der Klub von der Pazifikküste nicht nur viel Mal die Superbowl (1982, 1985, 1989 und 1990), sondern der smarte Quarterback mit der Nummer 16 machte die 49ers in den 80er Jahren zum Kultklub der NFL. Keinem Spieler außer Montana ist es zudem bisher gelungen, in drei Superbowl-Endspielen zum MVP (most valuable player) gewählt zu werden.

Doch der Glanz der großen Zeit verblasste bei den 49ers, die ihren Namen dem Goldrausch von 1849 verdanken, schnell: Nur noch einmal (1995) gelang der Griff an die begehrte Vince-Lombardi-Trophäe - zu einem Zeitpunkt, als Montana nach zwei Jahren Laberl-Werfens bei den Kansas City Chiefs bereits in der Football-Pension war. Nun, nach langen 18 Jahren des Wartens, eröffnet sich für die Mannen in den rot-goldenen Trikots erstmals wieder die Chance auf den Superbowl-Triumph. Nach einem 28:24-Erfolg bei den Atlanta Falcons am Sonntag könnten die 49ers mit dem sechsten Titelgewinn zum bisher erfolgreichsten Klub - den Pittsburgh Steelers - aufsteigen. Und mit dem Spirit von Joe Montana gehen die 49ers auch als (sentimentaler) Favorit ins Endspiel am 3. Februar in New Orleans gegen die Baltimore Ravens: Noch nie haben sie bei der Super Bowl als Verlierer den Platz verlassen.

Allerdings war es ein hartes Stück Arbeit, um das NFC-Conference-Finale zu gewinnen: Im ausverkauften Georgia-Dome dominierten lange Zeit die Falcons und zogen rasch auf 17:0 davon. In der Offense ging bei den 49ers gar nichts, die Defense wiederum wurde förmlich überrannt. Erst nach einem 14:24-Pausenrückstand erwachten die 49ers und starteten - trotz einer leichtfertig vergebenen Touchdown-Chance - eine packende Aufholjagd. Im vierten Viertel ging das Team von Quarterback Colin Kaepernick nach einem Touchdown von Runningback Frank Gore erstmals mit 28:24 in Führung. Nach einer umstrittenen Videoentscheidung für die Falken trotz eines unsauber gefangenen Passes wurde es im Finish noch einmal dramatisch: Doch die Falcons konnten ihren Angriffsdrive nicht in die Endzone der 49ers bringen - das Spiel war entschieden.

Sensation in Foxborough

Der Endspiel-Gegner, die Baltimore Ravens, sorgten für die eigentliche Überraschung des Semifinal-Abends: Im AFC-Finale bezwangen sie die New England Patriots mit 28:13, die in der Arena in Foxborough als wahre Heimmacht gelten. Ausschlaggebend war eine fulminante zweite Halbzeit der Gäste, die einen 7:13-Rückstand mit einem 21:0-Score umwandelten und die Patriots-Fans am Ende zum Verstummen brachten. Dabei haben die Patriots in 67 Heimspielen der Ära von Superstar-Quarterback Tom Brady und Trainer Bill Belichick noch nie eine Halbzeit-Führung aus der Hand gegeben - diesmal riss die jahrelange Heimserie.

Baltimore gelang damit auch die Revanche für die bittere Niederlage im letztjährigen AFC-Endspiel, als sich New England knapp mit 23:20 durchgesetzt hatte. Die Ravens stehen damit zum ersten Mal seit ihrem Sieg 2001 wieder in der Superbowl.

Dabei kommt es zu einem brisanten Duell auf der Trainerbank - denn erstmals duellieren sich zwei Brüder als Headcoaches um den begehrtesten Titel im American Football: John Harbaugh betreut die Ravens, sein 15 Monate jüngerer Bruder Jim die 49ers. Für die US-Presse ist diese Konstellation natürlich Thema Nummer eins - längst ist nicht mehr von der Superbowl XLVII die Rede, sondern von der Har-Bowl.

Das Finalduell von Jim und John wird gewiss auch in den kommenden zwei Wochen im medialen Mittelpunkt stehen. "Ich weiß nicht, ob wir jemals einen solch großen Traum hatten", meinte John Harbaugh nach dem Sieg in Foxborough. Man habe in der gemeinsamen Kindheit und Jugendzeit einige Träume gehabt, aber ebenso auch einige Prügeleien und Streitereien, erinnerte er sich und fügte hinzu: "Wir werden versuchen, dem Ganzen aus dem Weg zu gehen. Sollen es doch beide Teams, so gut es geht, untereinander ausfechten."

Im bisher einzigen Duell der Harbaugh-Brüder gewann er mit den Ravens im November 2011 mit 16:6.