New Orleans. Schiri, sie wissen, was du letzten Winter getan hast. Am Sonntag um halb sieben Uhr Ortszeit wird im Mercedes-Benz-Superdome zu New Orleans die Superbowl XLVII (47) angekickt - und den Mittelpunkt des Interesses werden sich die Spieler in den paar Stunden, die darauf folgen, mit einem Mann teilen, dem das alles andere als recht ist, aber es hilft nichts. Jerome Boger, Jahrgang 1955, zeichnet hauptberuflich Versicherungen. Nachdem es für eine Karriere als Spieler in der höchsten Spielklasse des American Football nicht gereicht hatte, sattelte der aus dem Süden des Landes stammende Mann auf die Schiedsrichterei um.
Vor neun Jahren schaffte er es in die National Football League (NFL), wo er zunächst als Linienrichter wirkte. 2006 avancierte er zum Referee, eine verantwortungsvolle Aufgabe in einem Geschäft, das Jahresumsätze zwischen achteinhalb und neun Milliarden US-Dollar erzielt. Welche Auswirkungen falsche Entscheidungen haben können, wurde Anfang dieser Saison klar, als er und seinesgleichen für ihrer Meinung nach angemessene, nach Lesart der Liga-Oberen zu hohe Löhne streikten und Letztere dachten, mit Hilfsarbeitern auskommen zu können. Bis man sich einigte, dauerte es bis Ende September, und manche der Fehlentscheidungen, die sich bis dahin - trotz Videobeweis - aufgetürmt hatten, sind kein halbes Jahr später bereits Legende.
Seitdem war Ruhe, bis die Teilnehmer am Endspiel feststanden. Wie ein paar seiner Kollegen den Sportjournalisten kurz danach erzählten, sei Boger die Ehre der Nominierung fürs Finale nicht aufgrund seines scharfen Auges, sondern allein aufgrund der Tatsache zuteilgeworden, dass er schwarz sei und der NFL damit als Feigenblatt für ihre Diversifizierungspolitik diene (Boger ist erst der dritte afroamerikanische Schiedsrichter in der NFL-Geschichte). Freilich nur hinter vorgehaltener Hand. Öffentlich traut sich so etwas keiner zu sagen. Tatsächlich gestalteten sich Bogers Leistungen während der Saison eher mittelmäßig. Was seine Kritiker übersehen, ist das Faktum, dass es in der Historie der modernen NFL (deren Zeitrechnung im Jahr 1966 beginnt, als diese mit der damaligen Konkurrenz fusionierte, der American Football League) bei weitem nicht das erste Mal passiert, dass nicht der Schiri die Superbowl leitet, der im Regular-Season-Zeugnis die besten Noten stehen hat. So geriet die Diskussion um Boger zu einer Posse, die auch eine Geschichte über Amerika Anfang des 21. Jahrhunderts erzählt; über ein Land, in dem sich heute wirklich und echt und im Ernst Millionen von Weißen diskriminiert fühlen, weil zum Beispiel ein Schwarzer im Weißen Haus und eine Latina auf der Bank des Obersten Gerichtshofs sitzt.