Das Spiel selbst wird angesichts solcher Geschichten trotzdem nicht in den Hintergrund gedrängt, auch wenn sich aufgrund der vergleichsweisen Kleinheit der teilnehmenden Märkte das Interesse der US-Bürger daran nicht so groß sein wird wie im vergangenen Jahr, als die New York Giants die New England Patriots besiegten. In dem von Boger und seinen sechs übers Feld und über die Ränge verteilten Assistenten geleiteten Duell treffen sich zwei Mannschaften, die sich noch nie im Finale um die Weltmeisterschaft gegenüberstanden, die San Francisco 49er ("Niners") und die Baltimore Ravens ("Ravens").

Beide haben noch nie ein Finale verloren, im Fall von San Francisco stellt das eine ungleich größere Leistung dar, in fünf Superbowl-Teilnahmen siegten sie fünfmal (1982, 1985, 1989, 1990, 1995). Die makellose Bilanz der Ravens ergibt sich aus einem singulären Erfolg, vor zwölf Jahren verprügelten sie die Giants 31:7. Das Team aus Nordkalifornien wird auch deshalb favorisiert - nach einhelligem Urteil der professionellen Kommentatoren zwischen Ost- und Westküste haben die Niners die schnelleren, weil jüngeren Spieler (vor allem die von Quarterback Colin Kaepernick angeführte Offense), während die Ravens eher alt aussehen (vor allem die maßgeblich von Linebacker Ray Lewis motivierte Defense). Wenig zuträglich ist auch, dass kurz vor dem Spiel Dopinggerüchte um Lewis laut wurden, er soll während der Saison zur Linderung seines geschundenen Trizeps verbotene Mittel eingenommen haben, was er heftig bestreitet.

Heuer die "Harbaugh Bowl"

Abgesehen von den Spielern gab es seit den Conference Finals, quasi dem Semifinale, in dem sich die Teams für die Reise nach New Orleans qualifizierten (die Niners gegen die Atlanta Falcons, 28:24, die Ravens gegen die Patriots, 28:13) vor allem vor einer Geschichte kein Entkommen, der über die Head Coaches. Die pflegen ein Verwandtschaftsverhältnis, das enger kaum sein könnte: Jim Harbaugh (49 Jahre alt, San Francisco) und John Harbaugh (50, Baltimore) sind Brüder. Auch das hat es noch nie in einer Superbowl gegeben, und deshalb haben sie die Medienmenschen - kaum überraschend und wenig originell, aber trotzdem berechtigt - in "Harbaugh Bowl" umgetauft. Außer der Tatsache, dass sie beide gute, erfolgreiche Trainer mit einschlägigem Hintergrund sind (Vater Jack spielte kurz für die Titans of New York, einer Art Vorgänger der Jets), bekam man entsprechend viel, aber kaum Überraschendes über sie zu lesen, hören und sehen. Nach ihrem Verhältnis befragt, gaben sie sich bis zuletzt professionell bis schweigsam ("Wichtig ist am Sonntag, was am Gridiron passiert, nicht in der Familie"). Profis halt.

Auch Jerome Boger wird sich hüten, vor und nach dem Spiel den Mund aufzumachen, und vielleicht ist das auch gut so, weil die Zahlen, Daten, Fakten an und für sich eh für sich selber sprechen. Der Anteil schwarzer Spieler in der NFL beträgt seit den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts zwischen 50 und 70 Prozent. Was ihre Schiedsrichter angeht, verließ sich die NFL bis 1988 trotzdem ausschließlich auf weiße Amerikaner.