New Orleans. "The greatest show on earth" - so nennen die Amerikaner gerne ihr liebstes und größtmöglich inszeniertes Sportereignis des Jahres, die Super Bowl. Am Sonntagabend wurde das Endspiel um die Krone im American Football diesem Anspruch tatsächlich auch gerecht.

Entscheidende Szene: Crabtree (49ers) verfehlte nur knapp. - © ap
Entscheidende Szene: Crabtree (49ers) verfehlte nur knapp. - © ap

Denn die 71.024 Zuschauern im Superdome von New Orleans und die Millionen Zuschauer vor den Fernsehgeräten bekamen beim Duell der Baltimore Ravens gegen die San Francisco 49ers alles geboten, was ein denkwürdiges Sportereignis ausmacht: rassige Szenen, hohe Spielkunst, eine hitzige Massenrangelei, umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, eine pompöse Halbzeit-Show, eine furiose Aufholjagd, knisternde Dramatik bis zum Ende - und einen alles in allem verdienten 34:31-Außenseiter-Sieger Baltimore. Obwohl der ganz große Paukenschlag in Form eines 49er-Comeback-Sieges ausblieb, reiht sich die Superbowl XLVII in die ganz großen Finali der letzten Jahrzehnte ein - vergleichbar mit dem Giants-Triumph 2008 über die Patriots (17:14) oder jenem der Broncos über die Packers (31:24) anno 1998.

Dabei dauerte es lange, bis das Spiel richtig Fahrt aufnahm - zu einseitig verlief die erste Hälfte, zu fehleranfällig agierte der fünffache Titelträger von der Westküste. Wie schon im Semifinale gegen die Atlanta Falcons war die Offense der Niners anfangs völlig abgemeldet und produzierte in der ersten Hälfte gleich zwei Ballverluste - San-Francisco-Quarterback Colin Kaepernick sorgte sogar für die erste Interception in der bisher makellosen Superbowl-Bilanz der Kalifornier. Auf der anderen Seite setzten die Raben dort fort, wo sie vor zwei Wochen mit einer fulminanten zweiten Halbzeit gegen New England angefangen hatten: hinten kompromisslos, vorne fehlerlos - so wie beim 56-Yard-Touch-Down-Pass von Quarterback Joe Flacco auf Jacoby Jones, der den Halbzeitstand von 21:6 ergab.

Und kaum war die Stimme von Beyoncé nach der Half-Time-Show verklungen, schien das Spiel endgültig entschieden: Ravens-Wide- Receiver Jones schlug erneut zu, indem er den Ball nach dem Kickoff der 49ers aus der eigenen Endzone über das gesamte Spielfeld zum Touchdown beförderte - dieser 108-Yard-Return bringt auch einen Eintrag in die Geschichtsbücher als längster Spielzug in der Superbowl-Historie.

Unerwartete Hilfe von oben

Doch als die Zuseher nur noch über die Höhe des Debakels für die Niners rätselten, kam unerwartete Hilfe von oben - in Form eines Flutlichtausfalles. Womit bewiesen wäre, dass so etwas nicht nur im österreichischen Fußball-Unterhaus, sondern auch an der ersten Adresse im Football passieren kann. Nach der halbstündigen Unterbrechung (Ursache für den Stromausfall war ein defektes Messgerät) kamen die Mannen aus Kalifornien wie verwandelt zurück aufs Gridiron: Mit drei Touchdowns binnen weniger Minuten im dritten Viertel verkürzten sie rasch auf 20:28 und spielten sich dabei in einen wahren Rausch. Als Kaepernick im Schlussabschnitt höchstpersönlich zum 29:31 scorte und die 49ers wenig später wieder in Angriffsposition kamen, schien die größte Aufholjagd in der Superbowl-Geschichte schon perfekt zu werden. Zumal das doppelte Blackout die Mienen um Ravens-Headcoach John Harbaugh längst versteinert hatte.

Zwei Minuten vor Schluss dann der Showdown im Superdome: Beim Stand von 34:29 für die Ravens spielten die 49ers wenige Yards vor der Endzone auch den vierten und letzten Versuch aus - denn nur mit einem Touchdown konnten sie das Spiel noch drehen. Doch der möglicherweise spielentscheidende Pass krachte in den Kunstrasen statt in die Hände von Michael Crabtree. Eine Szene, die Football-Fans auf der ganzen Welt noch einige Zeit beschäftigen wird. Denn Crabtree wurde von der Ravens-Defense vor dem Fang-Versuch gestört, doch das Referee-Team wertete die Attacke nicht als Foul - die gelben Flaggen blieben im Hosensack. Selbst die Superzeitlupen, die jeden Millimeter des Spielfeldes ausleuchten, brachten keinen eindeutigen Aufschluss - ein Wink an alle Funktionäre, die sich den Videobeweis gerne im Fußball wünschen würden. Am Ende ließen die Ravens die Uhr ablaufen und nahmen noch einen Safety in Kauf. Der Endstand von 34:31 bedeutete den zweiten Superbowl-Triumph nach 2001 für den Klub aus Maryland; die 49ers hingegen haben ihr erstes Endspiel überhaupt verloren.

"Wir haben das Ding zusammen gewonnen - Fans, Spieler, Trainer, Verein", sagte John Harbaugh, der auch über seinen jüngeren Bruder Jim, Trainer der 49ers, siegte. "Das war eines der schwierigsten Dinge, mit denen ich jemals konfrontiert war. Ich bin sehr stolz auf ihn", meinte er Richtung Jim. Der haderte mit dem Spielverlauf: "Schließlich hatten wir zahlreiche Gelegenheiten, um das Spiel zu drehen."