Schwechat. Er war eigentlich immer dabei. Seit 1990 hat es keine Europameisterschaft gegeben, bei der Werner Schlager nicht an der Platte gestanden ist, seit seiner ersten Medaille 1998, Bronze im Doppel gemeinsam mit Karl Jindrak, hat er 18 Mal Edelmetall bei kontinentalen Titelkämpfen abgeräumt und damit an 60 Prozent der rot-weiß-roten Ausbeute aktiv mitgewirkt. Und er hat mit der Aura eines Weltmeisters und den zwar im Vergleich mit anderen Sportarten bescheidenen, aber doch entsprechenden Geldbeschaffungsmöglichkeiten mitgeholfen, die Multifunktionshalle Multiversum samt angeschlossener Werner-Schlager-Academy ins Leben zu rufen. Nun erlebt der 41-jährige das erste Großereignis in seiner Heimhalle - wenn auch nur als Zuschauer. Weil sich der Niederösterreicher in Folge des Trainingsrückstands außer Form fühlt ("Ich bin nicht wirklich zum Trainieren gekommen. Im Leistungssport geht das nicht mehr") und auch der Deutsche Timo Boll fehlt, wird die am Freitag beginnende EM in Schwechat damit auch zur EM der großen Abwesenden.
Serie zu verteidigen
Boll, bis jetzt seit 1998 durchgehend bei Europameisterschaften dabei, musste nach überstandener Schulterverletzung wegen einer fiebrigen Erkältung absagen. Damit fehlt neben dem Lokalmatador auch der mit 16 Goldmedaillen Rekord-Europameister und Titelverteidiger im Einzel - und beiden Teams damit im direkten Aufeinandertreffen am Freitag (18 Uhr) ihr Aushängeschild.
Während Schlager ohnehin in den vergangenen Jahren den anderen Österreichern, allen voran dem Weltranglisten-34. Robert Gardos, das Rampenlicht überlassen musste, wäre Boll bei den Deutschen die klare Nummer eins gewesen. Davon, dass sein Fehlen die Aufgabe im Achtelfinal-Duell für Österreich erleichtert, darf man allerdings nur bedingt ausgehen. Zwar sei klar, dass die Deutschen nun mit einer "ein bisschen schlechteren Mannschaft" als sonst antreten müssen, meinte Österreichs neuer Cheftrainer Jarek Kolodziejczyk, "aber sie sind noch immer Favorit. Ihre Nummer drei liegt noch vor unserer Nummer eins." Tatsächlich ist Dimitrij Ovtcharov Sechster der Weltrangliste und für Boll logischer Favorit auf Einzelgold, dahinter lauern in Patrick Baum und Bastian Steger die Nummern 21 und 29.
Kolodziejczyk wird dagegen fix Gardos und Chen Weixing an die Platte schicken, für den vakanten Platz dürfte nach den Trainingsleistungen Stefan Fegerl gegenüber Daniel Habesohn zu favorisieren sein. "Ich spiele derzeit das Tischtennis meines Lebens", sagte SVS-Niederösterreich-Spieler Fegerl, der sich besonders auf die Atmosphäre in seiner Heimhalle freut. "Hier habe ich meine besten Spiele geliefert."
Habesohn wird sich dagegen voraussichtlich aufs Doppel konzentrieren, in dem er mit Gardos Gold verteidigt. Generell will der österreichische Verband eine beeindruckende Serie fortsetzen: Seit 1998 in Eindhoven hat es keine EM gegeben, bei der nicht mindestens eine Medaille für den ÖTTV drin war. Das Team dürfte es mit dem Los Deutschland gleich zu Beginn schwer haben. Boll, der große Abwesende, hat sich schon festgelegt: "Unsere Jungs sind auch ohne mich so stark, dass es hoffentlich zu Gold reichen wird."