Zürich. (art) Es könne gut sein, sagte Joseph Blatter unlängst, "dass wir einen Fehler gemacht haben". Und es kann sogar sein, dass Blatter damit recht hat. Denn seit der Weltfußballverband Fifa vor mittlerweile drei Jahren in seinem kaum zu durchblickenden Mikrokosmos sein Votum für eine WM 2022 in Katar abgegeben hat, vergeht kaum ein Tag, an dem sich nicht der Rest der Welt über eben dieses wundert. Waren es zunächst die Größe des Landes, das mit 11.606 Quadratmetern weniger Fläche hat als Oberösterreich, und die hohen Temperaturen, die die Wahl absurd erscheinen ließen, verdichteten sich später die Indizien, dass die Stimmen erkauft waren. Und als wäre dies nicht genug, sorgen seit vergangener Woche auch Medienberichte über sklavereiartige Arbeitsbedingungen, unter denen schon mehrere Dutzend Gastarbeiter gestorben seien, für Aufruhr. Mit all dem musste sich dieser Tage das Exekutivkomitee der Fifa bei seiner Sitzung in Zürich befassen. Einen Abschlussbericht der Konferenz soll es am Freitagnachmittag geben.
Von revolutionären Verkündungen wie einem von vielen Seiten herbeigesehnten Neuwahlbeschluss darf man freilich nicht ausgehen. Auch die Menschenrechtsfrage, die NGOs und Gewerkschaften weltweit auf den Plan gerufen hat, wird nur am Rande Thema sein. Als der "Guardian" die Missstände in der vergangenen Woche aufs Tapet brachte, fühlte sich die Fifa lediglich zu der Aussage bemüßigt, man sei "besorgt" und werde Kontakt zu den Behörden aufnehmen. Aber das kam ja eher unerwartet dazwischen.
Vorrangig sollte es in Zürich nämlich nicht um die Frage gehen, ob das Turnier in Katar stattfinden soll, sondern nur wann. Nachdem sich mittlerweile alle zum Konsens durchgerungen haben, dass eine WM im Hochsommer bei Temperaturen an die 50 Grad Celsius ein Irrsinn wäre, wird nun über die genaue Terminierung gestritten. Blatter ist für eine WM im November/Dezember, um sich nicht den Unmut des Internationalen Olympischen Komitees wegen einer Kollision mit Olympia zuzuziehen. Michel Platini, Chef des Europaverbandes Uefa, wiederum plädiert für eine Austragung im Jänner. Dagegen wiederum opponieren mächtige Ligen, deren Spielbetrieb gehörig umgekrempelt werden müsste. Die Uefa hatte diese Thematik schon vor zwei Wochen mit ihren Verbänden diskutiert, auf eine gemeinsame Linie kam man dabei aber nicht. Nun geht Platini davon aus, dass auch die Sitzung der Fifa-Exekutive keine Einigung bringen wird. "Aber der Ball liegt jetzt im Feld des Fifa-Präsidenten. Das ist kein Problem der Uefa, sondern der Fifa", stellte er klar.
Die Häme war dabei kaum zu überhören. Denn hinter all diesen Diskussionen steht ein sportpolitischer Machtkampf. Platini galt als logischer Nachfolger des Schweizers, bis dieser Ambitionen auf eine weitere Amtszeit ab 2015 äußerte. Seitdem tobt, wenn auch verklausuliert, der Wahlkampf. Auch vor diesem Hintergrund kann die plötzliche Einsicht Blatters, die Vergabe an Katar könne ein Fehler gewesen sein, gesehen werden. Denn der Fifa-Chef hatte hinzugefügt, politische Einflussnahmen hätten die Wahl mitentschieden. Platini hatte damals ebenfalls für Katar gestimmt - nur Tage nach einem Abendessen mit dem damaligen französischen Staatschef Nicolas Sarkozy und dem katarischen Emir Scheich Hamad Al Thani.