Lausanne. (art) Michel Platini ist derzeit wirklich nicht zu beneiden. Nach einer ikonisierten Fußballerkarriere, einer erfolgreich organisierten WM 1998 als Einstieg in eine internationale Funktionärslaufbahn und seiner Wahl zum Präsidenten des europäischen Fußballverbandes Uefa sollte in zwei Jahren die Krönung zum Chef des Weltfußballverbandes Fifa folgen.

Doch inzwischen hat ihn nicht nur dessen aktueller Präsident und einstiger Förderer Joseph Blatter fallen gelassen, weil er entgegen ursprünglichen Ankündigungen den lukrativen Posten doch nicht räumen will, sondern hat Platini beinahe die ganze Sport-Welt gegen sich. Dass er sich bei einer möglichen Kampfabstimmung 2015 gegen den ebenfalls nicht allseits beliebten Blatter durchsetzt - keiner der beiden hat seine Kandidatur offiziell bekanntgegeben -, wird immer unwahrscheinlicher.

Seit Monaten tobt hinter den Kulissen der Wahlkampf, und er treibt immer seltsamere Blüten. Zankapfel ist vor allem die WM 2022 in Katar, obwohl - wie Platini stets verzweifelt betont - diese ja eigentlich eine Angelegenheit der Fifa ist. Doch so einfach ist die Sache nicht. Während der Franzose sich öffentlich als Unterstützer der katarischen Bewerbung deklariert hat - mutmaßlich haben ein Abendessen mit Frankreichs Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, der sich katarische Investitionen im eigenen Land erhoffte, sowie die Aussicht, seinen Sohn bei einer Gesellschaft aus dem kleinen, aber reichen Emirat unterzubringen, eine Entscheidungshilfe gegeben -, reißt die Kritik nicht ab. Die Probleme rund um die hohen Temperaturen in der Wüste führten zu einem wohl noch länger währenden Streit über den Zeitpunkt des Turniers, die Menschenrechtsverletzungen auf den WM-Baustellen, auf denen heuer schon dutzende Gastarbeiter zu Tode gekommen sind, riefen Gewerkschafter und Politiker auf den Plan.

Nun hat sich auch die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europäischen Parlament, die deutsche Grünen-Abgeordnete Barbara Lochbihler, mit expliziter Kritik an Platini zu Wort gemeldet. Die Uefa-Vertreter müssten eigentlich "als Botschafter für die gemeinsamen Werte einstehen, die die Europäer ausmachen", sagte Lochbihler zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und: "Ich erwarte, dass Herr Platini sich dezidiert äußert, was er und die Uefa jetzt in der Sache tun wollen."

Wintersport rebelliert

Bisher blieb die Reaktion dürftig: Zwar sei er besorgt, sagte er, schob das Problem dann aber doch wieder auf die Fifa. Freilich hat Platini mit dieser Argumentation nicht ganz unrecht, auch der Weltfußballverband als eigentlich Verantwortlicher blieb bisher abgesehen von schönen Worten erschreckend regungslos. Andererseits lässt Blatter kein Hackel aus, ohne es seinem einstigen Günstling ins Kreuz zu werfen.

Anders als Platini, der sich früh auf eine Verschiebung in den Jänner 2022 festgelegt hatte, sprach sich Blatter nach langem Überlegen für eine WM im November/Dezember aus, um eine Kollision mit den Olympischen Spielen zu vermeiden. Die Wintersportverbände beäugten das Schauspiel bisher interessiert und beraten dieser Tage in Lausanne über ein gemeinsames Vorgehen gegen eine Fußball-WM im Zeitraum Jänner bis März, auch das Internationale Olympische Komitee steht dahinter. Die Gegner für Platini werden mehr.