London. (rel/apa) Beim Weltfußballverband Fifa sowie bei den Organisatoren der Fußball-WM 2022 in Katar jagt derzeit eine Krisensitzung die andere. Grund: Nach dem Auftauchen neuer Korruptionsvorwürfe, die die englische Tageszeitung "Sunday Times" in Zusammenhang mit der WM-Vergabe an den Wüstenstaat veröffentlicht hat, haben am Wochenende die ersten Fifa-Großsponsoren eine rasche Aufklärung des Skandals gefordert. Für die betroffenen Funktionäre ist das insofern heikel, als es da nun nicht mehr um lästige Kritik, sondern vielmehr um viel Geld geht.
Tatsächlich sind die Forderungen mehr als eindeutig. "Als Fifa-Partner erwarten wir, dass diese Vorwürfe angemessen untersucht werden", erklärte etwa der japanische Elektronikkonzern Sony am Sonntag. Es werde von der Fifa erwartet, dass sie sich in allen Bereichen an ihre Prinzipien von Integrität, ethischem Verhalten und Fairness halte, hieß es. "Wir sind zuversichtlich, dass diese Untersuchung mit hoher Priorität behandelt wird", schrieb wiederum der Sportartikelhersteller Adidas. Der Konzern mahnte: "Der negative Tenor der öffentlichen Debatte derzeit über die Fifa ist weder für Fußball noch für die Fifa noch für deren Partner gut." Die deutlichen Worte haben noch einen anderen Grund: Adidas hat seinen Vertrag mit der Fifa erst vor kurzem bis 2030 verlängert.
Die Fifa hingegen sieht keine Unstimmigkeiten mit den Sponsoren und beschwichtigt: "Wir sind in ständigem Kontakt mit unseren Wirtschaftspartnern, inklusive Adidas, Sony und Visa, und sie haben 100 Prozent Vertrauen in die Untersuchungen, die derzeit von der unabhängigen Fifa-Ethikkommission vorgenommen werden", betonte Fifa-Marketing-Chef Thierry Weil . Und: "Unsere Sponsoren haben keine Anfragen gestellt, die nicht durch die laufenden Untersuchungen der Ethikkommission gedeckt sind."
Tatsächlich wiegen die in der "Sunday Times" publizierten Korruptionsvorwürfe, für die die Zeitung laut eigenen Angaben auch konkrete Beweise vorlegen kann, schwer. Um die Fußball-WM nach Katar zu holen, soll das Emirat Schmiergelder gezahlt und aktiv Stimmenkauf betrieben haben. Im Fokus der Kritik steht der frühere katarische Spitzenfunktionär Mohammed bin Hammam. Ihm wird unter anderem angelastet, für die Unterstützung von Katars Bewerbung bis zu 6,7 Millionen Dollar an Offizielle bezahlt zu haben.
So sollen etwa im Fall von Ex-Exekutivmitglied Reynald Temarii aus Tahiti 305.000 Euro "für Anwaltskosten" bezahlt worden sein. Außerdem habe Hammam, so die "Times", Gespräche auf Regierungsebene mit Thailand für einen Gas-Deal eingefädelt, um sich die Stimme von Exekutivmitglied Worawi Makudi zu sichern. Auch von einem Treffen mit russischen Vertretern einen Monat vor der umstrittenen Abstimmung im Dezember 2010, bei dem es um "bilaterale Beziehungen" zwischen beiden Ländern im Sport ging, ist die Rede. Beide Länder erhielten den Zuschlag für 2018 und 2022.
Beckenbauer im Visier
Das Emirat selbst hat sämtliche Vorwürfe bisher stets bestritten, darunter auch den Vorwurf, um die Gunst von Franz Beckenbauer und Uefa-Präsident Michel Platini geworben zu haben. Nur ein paar Monate nach dem Zuschlag für Katar als Gastgeber der WM 2022 sei Beckenbauer im Juni 2011 auf Einladung von bin Hammam zusammen mit Vorständen der unter anderem im Reedereigeschäft tätigen E.R. Capital Holding in Katar gewesen. Beckenbauers Management wollte sich am Wochenende zu Details der Enthüllungen nicht äußern und verwies auf eine frühere Stellungnahme, wo es heißt: "Ich habe nie für Katar oder für bin Hammam gearbeitet."
Beckenbauer, der bei der Vergabe als Mitglied in der Fifa-Exekutive saß, hat bisher nicht offenbart, welchem Kandidaten er die Stimme gegeben hat. Jede Schuld von sich weist auch Platini. Bin Hammam sei nicht persönlich bei ihm gewesen und habe auch nicht um ihn geworben, sagte er.