Rio de Janiero. Langsam wird es eng für Russlands Olympia-Team. Wie der internationale Sportgerichtshof (CAS) am Donnerstag in einem Urteil bestätigte, bleibt der Ausschluss der russischen Leichtathleten wegen massiver Dopingvergehen weiter aufrecht. Das Gericht wies den Einspruch von 68 russischen Athleten und des russischen olympischen Komitees (ROC) gegen das vom Leichtathletik-Weltverband (IAAF) im Juni verlängerte Teilnahmeverbot an internationalen Wettkämpfen zurück. Damit muss Russland mehr denn je nun den kompletten Ausschluss von den am 5. August beginnenden Sommerspielen fürchten, hatte doch das internationale olympische Komitee (IOC) eine Entscheidung darüber vom CAS-Richterspruch abhängig gemacht.

IOC-Präsident Thomas Bach muss nach dem CAS-Urteil nun den Offenbarungseid leisten. - © ap/Paul
IOC-Präsident Thomas Bach muss nach dem CAS-Urteil nun den Offenbarungseid leisten. - © ap/Paul

Das Exekutivkomitee will nun am Sonntag darüber beraten. Verkündet werden könnte die Entscheidung entweder noch am gleichen Tag oder am Montag. Es wäre der erste Olympia-Ausschluss eines Landes wegen nachgewiesenen systematischen Dopings. Für die russische Delegation bedeutet der Spruch einen harten Schlag. Der CAS bestätigte in seinem Urteil, dass die Entscheidung der IAAF regelkonform war und stellte fest, dass das ROC keine Leichtathleten für die Spiele in Rio de Janiero nominieren darf. Die IAAF hatte den russischen Leichtathletikverband am 13. November 2015 wegen umfassenden Dopings suspendiert und die Sperre für internationale Wettkämpfe am 17. Juni über die Rio-Spiele hinaus verlängert.

In Russland fielen die Reaktionen auf das Urteil erwartungsgemäß kritisch aus. "Ich bedauere diese Entscheidung. Wir werden über weitere Schritte nachdenken. So möchten wir die Sache nicht belassen", kündigte Sportminister Witali Mutko an und sprach von einem "politisch motivierten" sowie "beispiellosen Urteil". Welche Antwort man geben werde, ließ er offen. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, dass ein möglicher Boykott der Spiele jedenfalls nicht erwogen werde, sprach aber auch von einer ungerechten Kollektivstrafe. Stabhochsprung-Olympiasiegerin Jelena Isinbajewa bezeichnete das Urteil sogar als "Begräbnis der Leichtathletik".

Zwei Russinnen dürfen starten

Die IAAF wiederum begrüßte die Entscheidung: "Dieses Urteil hat gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Sportler geschaffen." Es stärke die Rechte der IAAF, "ihre Gesetze zum Schutz des Sports sowie zum Schutz der sauberen Sportler anzuwenden und damit die Glaubwürdigkeit und Integrität der Wettbewerbe zu schützen". Dennoch sei dies "kein Tag für triumphale Verkündungen", meinte IAAF-Boss Sebastian Coe am Donnerstag. "Ich bin nicht zur Leichtathletik gekommen, um Athleten von Wettkämpfen auszuschließen", betonte der Engländer. "Der ureigenste Wunsch unseres Verbandes ist es einzubinden - nicht auszuschließen."

Der Weltverband ließ die Tür zu Olympia für russische Leichtathleten aber ohnehin offen. Jene, die nachweislich nicht in das Doping-System in ihrer Heimat involviert waren, können Sonderstartrechte beantragen. Bisher wurde ein solches zwei Athletinnen erteilt: 800-Meter-Läuferin Julia Stepanowa, Kronzeugin des umfassenden Sportbetrugs in ihrer Heimat, und Weitspringerin Darja Klischina, die in den USA lebt, erhielten die Genehmigung. Ob sie bei Olympia antreten werden, ist offen.

Genauso offen bleibt, wie nun das IOC mit der Causa umgehen wird. Sicher ist nur, dass das IOC das CAS-Urteil bei der Entscheidung über einen Ausschluss aller Russen von den Rio-Spielen berücksichtigen wird. Das IOC kündigte in einer schriftlichen Stellungnahme an, dass man die Entscheidung zur Kenntnis nehme und die Begründung für das CAS-Urteil studieren und analysieren werde. Grundlage für eine Sanktionierung wird aber vor allem der Bericht von Richard McLaren sein, der im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) die Anschuldigungen untersucht hat.

Der Wada-Bericht hatte unter anderem festgestellt, dass auf Anordnung staatlicher Behörden im Kontrolllabor bei den Winterspielen 2014 in Sotschi positive Doping-Proben russischer Athleten vertauscht und verfälscht worden waren. Zwischen 2012 und 2015 sind laut McLaren zudem 643 positive Proben russischer und ausländischer Sportler in 30 Sportarten aussortiert worden. Außerdem sollen Proben von der Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und der Schwimm-WM 2015 in Kasan manipuliert worden sein.

Nada fordert Ausschluss

Aber nicht nur mit Blick auf den McLaren-Bericht und das CAS-Urteil sieht sich das IOC nun enormem Druck ausgesetzt. Klare Signale kommen auch von den nationalen Anti-Doping-Organisationen. So haben bereits 14 nationale Agenturen IOC-Präsident Thomas Bach aufgefordert, den Komplettausschluss der Russen von Olympia zu beschließen - darunter auch Österreich. "Für mich ist die Beteiligung staatlicher Organe erschütternd. Das ist für jede saubere Sportlerin und für jeden sauberen Sportler, die im Sportalltag die strengen Vorgaben des Wada-Codes erfüllen, ein Schlag ins Gesicht", sagte der Geschäftsführer der heimischen Anti-Organisation (Nada), Michael Cepic, und betonte, dass eine nachgewiesene Beteiligung staatlicher Stellen an der Vertuschung von Verstößen gegen die Anti-Doping-Bestimmungen "nur einen Ausschluss von internationalen Wettbewerben, insbesondere den Olympischen Spielen Rio 2016, bedeuten" könne.

Es gibt aber auch Athleten und Verbände, die eine pauschale Verurteilung ablehnen. Auch ein Teilausschluss in von System-Doping betroffenen Sportarten wird als Möglichkeit angeführt. Die Entscheidung darüber läge allerdings in der Hand der nationalen Anti-Doping-Agenturen.