
Melbourne. (art) Die Fachwelt staunte, die Medien verneigten sich. Für manch einen schrieb Roger Federer, seit viereinhalb Jahren Grand-Slam-titellos und seit mehr als sechs Monaten ohne Turnierpraxis, an diesem Sonntag in Melbourne mit seinem 6:4, 3:6, 6:1, 3:6, 6:3-Finalerfolg über Rafael Nadal bei den Australian Open nicht nur Tennis-Geschichte, sondern mehr als das.
"Wenn der FC Barcelona ,mehr als ein Klub ist, ist Roger Federer ,mehr als ein Champion", konstatierte die französische Sportzeitung "LÉquipe", würdigte die altbekannten Tugenden des Schweizers wie Eleganz und Präzision und sah dabei eine "neue Dimension" in seiner "Legende", die nun auch für "Opferbereitschaft und Durchhaltevermögen" stehe. "An diesem 29. Jänner hat er das Alte mit dem Modernen versöhnt, die Rolling Stones mit den Beatles, die Gläubigen mit den Atheisten", lautete die nicht ganz unschwülstige Conclusio.

Ohne Pathos ging es eben nicht an jenem Tag, an dem sich die Langzeitrivalen gegenüberstanden, sich ein spielerisch wie kämpferisch hochklassiges Duell lieferten und damit die Zeit zurückdrehten.
Ganz besonders galt dies für Federer, der mit 35 Jahren ebenso alt ist wie Damen-Siegerin Serena Williams (6:4, 6:4 über Venus Williams), seinen ersten von nunmehr 18 Grand-Slam-Siegen vor dreizehneinhalb Jahren (Wimbledon 2003) gefeiert hat, zuletzt aber oftmals abgeschrieben wurde.
Er selbst hatte diesmal "erstmals seit ich weiß nicht wie vielen Jahren" nicht damit gerechnet, heuer ein Major gewinnen zu können, erklärte Federer nach einer Partie, bei der vor allem seine Aufschlagleistung, sein aggressiveres Spiel sowie die berühmten Kleinigkeiten bei entscheidenden Punkten den Ausschlag gegeben hatten. Dass sein körperlicher Verschleiß im Halbfinale geringer war als jener des Spaniers, er zudem einen Tag mehr zur Regeneration hatte, mag auch eine Rolle gespielt haben, doch davon wollte Nadal nicht sprechen. "Ich glaube, ich habe mich vom Halbfinale gut erholt", sagte der 30-Jährige aus Mallorca, der stattdessen seinem Gegner gratulierte: "Roger hat es heute vielleicht ein bisschen mehr verdient als ich", sagte er.
Federer gab das Kompliment zurück: Wenn er verloren hätte, wäre er an diesem Tag vielleicht nicht ganz so unglücklich gewesen wie sonst nach Niederlagen. "Niemand hätte ich es so vergönnt wie Rafa", sagte er.
Dass mehr als nur ein Hauch von Nostalgie durch die Rod-Laver-Arena wehte, lag freilich auch daran, dass die Tage, in denen man jene zwei Männer, die das Tennis über ein Jahrzehnt geprägt haben, ehe sie selbst von den diesmal vorzeitig Ausgeschiedenen Novak Djoković und Andy Murray von der Spitze verdrängt wurden, schön langsam gezählt schienen.
Schon seit geraumer Zeit plagt sich Nadal, dessen Spiel physisch besondere Anstrengungen benötigt, mit Verletzungen herum, in den vergangenen Jahren spürte auch Federer die Zeichen der Zeit, musste mehrere Pausen einlegen, zuletzt ein halbes Jahr wegen einer Knieverletzung auslassen.
Doch noch sind sie nicht bereit, den Jüngeren die Bühne zu überlassen. "Das zählt für mich mehr als mein Rekord", sagte Federer.