Miami. (art) Sie nennen es das Sunshine-Double, und insofern wäre es nicht überraschend, würde Juan Martín Del Potro dieses - bestehend aus den Masters-1000-Turnieren in Indian Wells und Miami - gewinnen. Wo immer man den Argentinier dieser Tage sieht, hat er ein strahlendes Lachen im Gesicht. Del Potro ist der Tennisspieler der Stunde, hat zuletzt die beiden Turniere in Acapulco und Indian Wells für sich entschieden und sich in der Nacht auf Donnerstag mit einem 5:7, 7:6, 7:6 über den Kanadier Milos Raonic für das Halbfinale qualifiziert.

Zu Saisonbeginn hat er sich erstmals seit rund vier Jahren wieder unter die Top Ten der Weltrangliste vorgearbeitet, derzeit steht er einen Platz vor Dominic Thiem auf Rang sechs und könnte bei einem weiteren Turniersieg am Montag auf Rang drei aufscheinen. Es wäre die beste Platzierung seiner nun schon rund zehn Jahre andauernden Karriere, die vom Höhepunkt des US-Open-Sieges 2009 bis zu langen Pausen alles beinhaltete, was ein Tennisspieler so erleben kann. Denn leicht hatte es Del Potro nie, dabei war ihm schon zu Beginn seiner Laufbahn viel Talent bescheinigt und eine große Zukunft vorausgesagt worden. Das war 2008; der Mann aus Tandil, den sie wegen seiner Größe von 1,98 Meter den "Turm von Tandil" nennen, hatte als erster Spieler überhaupt seine ersten vier Turniersiege bei aufeinanderfolgenden Veranstaltungen gewonnen. In der Saison darauf holte er bei den US Open - mit Siegen über Rafael Nadal und Roger Federer - seinen bisher größten Titel, doch schon kurz danach begannen die Probleme mit dem Handgelenk, die ihn seither begleiten und beinahe die ganzen Saisonen 2014 und 2015 kosteten.

Viele Puzzleteile zum Erfolg


Seither ist Del Potro ein anderer Spieler geworden. Er kann nicht mehr so viel Wucht in die beidhändige Rückhand legen, aber er versucht, aus der Not eine Tugend zu machen und variabler zu agieren, nicht nur mit Brachialgewalt, sondern auch mit Kopf und Feingefühl zu spielen. Der Erfolg gibt ihm vorerst recht, und auch er selbst hat sich nach anfänglicher Skepsis mit seinem neuen Stil angefreundet. "Es stimmt, dass ich ein anderes Spiel spiele als vor ein paar Jahren. Ich mixe es und versuche, auch öfter ans Netz zu kommen", sagt er. "Ich mag es, wie ich nun spiele. Ich denke, es macht auch mehr Spaß, zuzusehen."

Die spielerischen Änderungen sind freilich nur ein Teil des Erfolgs-Puzzles. Dazu kommen die Akribie, die Del Potro in die Arbeit steckt - auf und abseits des Platzes, wo er sich jede freie Minute um das lädierte Handgelenk kümmert - sowie seine mentale Stärke. Im Indian-Wells-Finale servierte Federer im dritten Satz schon auf das Match, auch die Partie gegen Raonic stand auf der Kippe, ehe sich Del Potro nach rund drei Stunden um Mitternacht durchsetzen konnte.

Favorit gegen Isner


Nun bekommt es der Argentinier mit John Isner zu tun, der gegen den aufstrebenden Koreaner Chung Hyeon überraschend klar mit 6:1, 6:4 siegte. Dennoch ist Del Potro auch in diesem Match Favorit: Von den bisher neun Duellen gegen den US-Amerikaner hat er sechs für sich entschieden. Fraglich ist lediglich, inwiefern der Körper mitspielt. 15 gewonnene Spiele hintereinander haben Selbstvertrauen gegeben, aber freilich Substanz gekostet; gegen Raonic zwickte der Rücken. Doch nichts hat Del Potro in seiner bewegten Karriere besser gelernt, als mit Schmerzen umzugehen.