Wien. Nach den jüngsten Enthüllungen rund um sexuellen Missbrauch in Hollywood und der EU sind am Montag auch im Hinblick auf den heimischen Skisport Vorwürfe publik geworden. So hat etwa die Ex-Skifahrerin Nicola Werdenigg, vormals Spieß, im "Standard" von systematischem Missbrauch in ihrer aktiven Zeit in den 1970er Jahren berichtet.
Demnach habe es damals Übergriffe durch "Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleute" gegeben, so die Abfahrtsmeisterin von 1975. Sie selbst sei im Alter von 16 Jahren von einem Teamkollegen vergewaltigt worden. Der Täter und ein weiterer Mann hätten sie zuvor alkoholisiert, aber aus Scham habe sie zu dem Vorfall geschwiegen und sich selbst die Schuld an dem Übergriff gegeben. Auch die Hierarchie im Skibetrieb war laut der heute 59-Jährigen durch sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch geprägt. Wenige Monate vor ihrem Abfahrtssieg habe sie ein Treffen mit einem Skifabrikanten absolviert, wobei sie unangemessen berührt worden sei. Derlei Übergriffe seien systematisch gewesen. Wer "nicht mitspielen wollte, brachte seinen Startplatz in Gefahr". Unter anderem sei der erste Geschlechtsverkehr einer Kollegin heimlich gefilmt und der Mannschaft vorgespielt worden. Die Frau habe ihre Karriere beendet. Alle hätten über die Vorgänge Bescheid gewusst, "man dachte, das sei normal".
Obwohl Werdenigg zu diesem Zeitpunkt erst 16 war, gehen ihre Schilderungen weiter zurück. Als Zwölfjährige habe sich die aus einer Tiroler Skifahrerfamilie stammende Werdenigg in einem Skiinternat eingeschrieben. Dort sei versucht worden, "Menschen zu brechen". Unter anderem habe der Heimleiter zur eigenen Befriedigung einen anderen Schüler auf sie angesetzt. Sie habe eine Vergewaltigung mit einem Tritt verhindern können.
Werdeniggs Schilderungen reihen sich in eine Serie von Missbrauchsvorwürfen in allen Teilen der Gesellschaft. Auslöser waren die Vorwürfe gegen den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein. Diese brachten unter #MeToo eine Lawine von Missbrauchsvorwürfen ins Rollen. Auch der US-Sport wurde zuletzt von einer Reihe von Skandalen erschüttert.
Die "Washington Post" zog am Wochenende in einem ausführlichen Bericht eine vorläufige Bilanz über die nun vorliegenden Vorwürfe, die seit Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen den Hollywood-Tycoon Harvey Weinstein und der darauf folgenden #MeToo-Kampagne, deutlich zunahmen. Dem Bericht zufolge wurden allein in den USA mehr als 290 Trainer und Offizielle, die eine Verbindung zu nationalen Olympiaorganisationen haben, öffentlich des sexuellen Fehlverhaltens bezichtigt. Die Vorwürfe sollen bis in das Jahr 1982 zurückreichen und sich über 15 Sportarten erstrecken. Die "Washington Post" errechnete, dass das - aufgeteilt über die 36 Jahre - bedeutet, dass jede sechste Woche ein Erwachsener sexuellen Fehlverhaltens bezichtigt wurde. Zu den 290 Männern zählen insgesamt 175 Offizielle, die wegen Sexverbrechen verurteilt wurden, und solche, die niemals angeklagt wurden und die Vorwürfe bestritten - darunter der Gymnastiktrainer Don Peters, der 1984 gesperrt wurde, nachdem zwei Sportlerinnen ihm vorgeworfen hatten, er habe Sex mit ihnen gehabt, als sie minderjährig waren.
Vorwurf gegen Sepp Blatter
Nicht verschont bleibt auch der Fußball. So hat auch die US-Fußballspielerin Hope Solo dem früheren Präsidenten des Fußballweltverbandes Fifa, Sepp Blatter, sexuelle Belästigung vorgeworfen. Blatter habe ihr an den Hintern gegriffen, bevor sie bei der Verleihung des Ballon d’Or 2013 auf die Bühne gegangen sei, sagte die 36-Jährige der portugiesischen Tageszeitung "Expresso".