Wien. Der Tag, an dem in Österreich die meisten Laufveranstaltungen stattfinden, ist wahrscheinlich der letzte des Jahres. In den diversen Laufkalendern im Internet sind ohne Mühe zwei Dutzend Silvesterläufe zu finden, bei denen Laufenthusiasten 2017 noch einmal ihre Kräfte mit Gleichgesinnten messen können. Dabei trifft immer wieder Breitensport auf Spitzensport, Masse auf Klasse, wobei die absoluten Spitzenläufer traditionell in Peuerbach in Oberösterreich an den Start gehen.
Die Geschichte der Silvesterläufe ist untrennbar mit der brasilianischen Stadt São Paulo verbunden, in der auf Initiative des Journalisten und Zeitschriftenverlegers Cásper Líbero am 31. Dezember 1925 zum ersten Mal die "Corrida Internacional de São Silvestre" ausgetragen wurde. Anfangs stand dieser Lauf nur Läufern offen, die in São Paulo lebten, später auch Athleten aus ganz Brasilien. Ab 1945 wurden Teilnehmer aus ganz Südamerika, ab 1947 aus aller Welt zugelassen. Als 1953 der damals weltbeste Langstreckenläufer, der als "tschechische Lokomotive" legendär gewordene Emil Zatopek, in São Paulo siegte, bekam der Lauf globale Bedeutung. Seither trugen sich viele prominente Läufer aus aller Welt in die Teilnehmerliste ein. Frauen durften 1975 erstmals starten. Die meisten Erfolge in São Paulo errang die Portugiesin Rosa Mota mit sechs Siegen. Der Kenianer Paul Tergat steht ihr mit fünf Siegen kaum nach. Er hält auch seit 1995 den Streckenrekord von 43:12 Minuten auf der seit 1991 offiziell 15 Kilometer langen, keineswegs flachen, von einem Spalier begeisterter Zuschauer gesäumten Strecke. Auf der 2016 fixierten Damen-Bestleistung von 48:35 Minuten liegt freilich ein Schatten, stammt sie doch von der im Frühjahr 2017 wegen Dopings für vier Jahre gesperrten Marathon-Olympiasiegerin von Rio 2016, der Kenianerin Jemima Sumgong. Seit 1964 streift ein Hauch von São Paulo auch Österreich. Damals ging erstmals der Hirtenberger Silvesterlauf, der heuer seine 54. Auflage erlebt, in Szene. Fast alle heimischen Laufgrößen des späten 20. Jahrhunderts - etwa das legendäre Läufertrio Robert Nemeth, Dietmar Millonig und Wolfgang Konrad - gingen in Hirtenberg an den Start.
Elite in Peuerbach
Später wechselte die heimische Laufelite zu Silvester nach Oberösterreich, zunächst nach Natternbach, dann 1997, vor genau 20 Jahren, nach Peuerbach. Dort treffen seither heimische und internationale Spitzenathleten aufeinander. Der oberösterreichische Lokalmatador Günther Weidlinger konnte sich zwischen 2000 und 2008 mehrmals in die Peuerbacher Siegerliste, auf der etliche afrikanische Topläufer stehen, eintragen. Mit der Kenianerin Ruth Jebet geht heuer in Peuerbach erstmals eine amtierende Olympiasiegerin (3000 Meter Hindernis) an den Start. Prominentester männlicher Teilnehmer ist der "schnellste Straßenläufer der Welt", der für Bahrain startende Abraham Cheroben, der 2017 mit einer Zeit von 58:40 Minuten die Weltrangliste im Halbmarathon anführt. Neben dem deutschen Spitzenläufer Richard Ringer wird auch das heimische Ass Andreas Vojta in Peuerbach erwartet. Valentin Pfeils geplante Teilnahme dürfte indessen an einem Einriss der Achillessehne scheitern, die er sich laut den "Oberösterreichischen Nachrichten" bei der Crosslauf-EM Mitte Dezember zugezogen hat.
Die meisten Teilnehmer - im Vorjahr mehr als 4000 - verzeichnet der Silvesterlauf über 5,4 Kilometer auf der Wiener Ringstraße, bei dem auch viele kostümierte Starter für Stimmung sorgen. Gute Gelegenheiten, an einem Silvesterlauf teilzunehmen, gibt es praktisch in ganz Österreich, in Orten von A bis Z, von Altach in Vorarlberg bis Zeltweg in der Steiermark. Die Streckenlänge liegt in der Regel zwischen zwei und zehn Kilometern, für Kinder, Jugendliche und reine Hobbyläufer gibt es auch kürzere Distanzen.