Die gute Nachricht: Stefan Kraft steht seit Donnerstagnachmittag als Weltcup-Gesamtsieger im Skisprung fest. Es ist die zweite große Kristallkugel des 26-jährigen Pongauers, und die einzige, die der ÖSV heuer einfahren kann. Denn, so die schlechte Nachricht, der gesamte Skitross muss wegen der Corona-Pandemie vorzeitig die Segel streichen. Die Saison ist sowohl für die Springer - Damen wie Herren - als auch die Alpinen frühzeitig beendet (die Absage der noch geplanten Langlauf- und Biathlon-Bewerbe ist wohl nur noch eine Frage der Zeit). Nach der Italienerin Federica Brignone bei den Ski-Damen (durch die Absagen in Aare) kam der Norweger Aleksander Kilde bei den Herren durch die Streichung der Rennen in Kranjska Gora kampflos zu seinem größten Erfolg als Rennfahrer.

Anders als bei den Alpinen, die somit um ein spannendes Finish umfallen, fällt Krafts Weltcupcoup ebenso überlegen wie verdient aus: In der Endwertung liegt Kraft mit 1659 Punkten klar vor dem Deutschen Karl Geiger (1519) an der Spitze. Mit 15 Stockerlplätzen, davon 5 Einzelsiegen, verlief die Saison höchst erfolgreich - wiewohl jene von vor drei Jahren, als zur Kugel auch zwei WM-Titel dazukamen, unerreicht bleibt. Auch die verpatzte Vierschanzentournee, bei der Kraft chancenlos war und ohne Stockerlplatz blieb, trübt die Bilanz. Krafts Highlight war gewiss der Heimsieg beim Skifliegen auf dem Kulm. Apropos Skifliegen: Der Weltrekordhalter bekommt keine Chance auf seine erste Flug-Goldene, denn die WM in Planica wurde ebenfalls gestrichen und soll kommende Saison nachgeholt werden. "Natürlich hat man es sich anders vorgestellt. Aber es war eine neue Situation, wo jeder ins Zimmer kommt oder dir im Gang gratuliert und um den Hals fällt", berichtet Kraft, nachdem er von der Entscheidung überrascht worden war.
Evident ist für den Salzburger aber, dass der Erfolg verdient ist: "Es ist ja nicht so, dass es durch Zufall passiert ist. Es fängt ja doch im November an - und 140 Punkte Vorsprung ist auch etwas, wo ich sage, das hätte ich mir bis Sonntag nicht mehr nehmen lassen."
Durch die Absagen haben die ÖSV-Adler allerdings auch keine Chance mehr, den Nationencup zu gewinnen: Lange Zeit rangierten sie heuer an der Top-Position, ehe eine Schwäche für den Rückfall hinter Deutschland sorgte - am Ende fehlten 153 Zähler auf die Deutschen. Auch bei den heuer bestechend springenden ÖSV-Adlerinnen ging die Einzel-Kristallkugel im letzten Moment verloren: Gesamtsiegerin ist neuerlich die Norwegerin Maren Lundby, die sich mit 1220 Punkten vor den Österreicherinnen Chiara Hölzl (1155) sowie Eva Pinkelnig (1029) durchsetzte. Immerhin dürfen sich die Österreicherinnen als dominante Equipe über die Nationenkugel und Rekordvorsprung freuen.
Kilde großer Gewinner
Auch bei den alpinen Männern kommt der Gesamtweltcupsieger - erstmals seit 2009 (Aksel Lund Svindal) - wieder aus Norwegen. Speed-Pilot Aleksander Aamodt Kilde profitierte vom vorzeitigen Renn-Aus aufgrund einer positiv auf Covid-19 getestete Person im Weltcup-Tross, die zur Absage von Riesentorlauf und Slalom in Slowenien zwangen. In diesen beiden Disziplinwertungen holte sich der Norweger Henrik Kristoffersen die kleinen Kugeln; die weiteren Wertungssieger sind in der Abfahrt der Schweizer Beat Feuz, im Super G dessen Landsmann Mauro Caviezel, im Parallel mit Loic Meillard ebenfalls ein Eidgenosse und in der Kombination Alexis Pinturault. Der Franzose gilt als Verlierer der Absage, war er doch bei 54 Punkten Rückstand auf Kilde der Top-Favorit auf großes Kristall; zudem fehlten ihm im Riesentorlauf nur sechs Punkte auf Kristoffersen. Noch schlimmer erwischte es bekanntlich den ÖSV: Nach dem Karriereende Marcel Hirschers ging man punkto Kristall komplett leer aus - auch der Nationencup inklusive beide Teamwertungen gingen verlustig. Das passierte zuletzt, wie berichtet, in der Saison 1986/87. Nach 66 Entscheidungen bei Damen und Herren siegte die Schweiz im Nationencup mit 8732 Zählern überlegen vor Österreich mit 7694 und Italien (6274). Letztlich eine schwarze Saison, die sich jedoch durch die aktuellen Ereignisse auch relativiert.(may)