So hat sich der ÖSV den Ausklang des Jahres wohl nicht vorgestellt. Das österreichische Ski-Team steht im Weltcup-Saisonverlauf nach wie vor ohne Sieg da. Während die Damen am Dienstagabend beim Nachtslalom am Semmering nicht zu den Favoriten zählten (nach Redaktionsschluss), misslang auch den Herren beim Super G in Bormio der lang ersehnte Sprung aufs oberste Stockerl. Immerhin kam hier Vincent Kriechmayr am Dienstag als Zweiter durchs Ziel und musste sich trotz starker Fahrt nur Ryan Cochran-Siegle recht deutlich um 0,79 Sekunden geschlagen geben. Der US-Amerikaner feierte nach fast perfekter Fahrt seinen ersten Weltcupsieg überhaupt.
Erst am 19. Dezember hatte der 28-Jährige aus dem Bundesstaat Vermont in der Grödener Abfahrt mit Rang zwei aufgezeigt, tags davor als Achter ebendort sein bis Bormio bestes Super-G-Ergebnis erzielt. In beiden Trainingsläufen auf der Stelvio am Samstag und Sonntag hatte Cochran-Siegle mit Bestzeit aufgezeigt, ließ sich auch durch geänderte Pistenverhältnisse nicht mehr vom Kurs abbringen. Schneefälle hatten am Montag eine Verschiebung des Super G sowie der Abfahrt auf Mittwoch (11.30 Uhr/ORF1) um jeweils 24 Stunden erzwungen.
Und so gelang es Cochran-Siegle mit Startnummer acht, dem nur drei Nummern davor gestarteten Kriechmayr die Hoffnung auf den Sieg zu nehmen, ja er war ab der ersten Zwischenzeit in allen Teilabschnitten sogar der Schnellste. "Ich bin glücklich, aber nicht zu ekstatisch", sagte er im ORF-Siegerinterview. "Ich versuche so Ski zu fahren, wie ich es kann, nichts erzwingen zu wollen. Es ist ein so komplizierter Sport. Ich versuche, genügend Vertrauen in mich und darin zu haben, flüssig fahren zu können."
Kriechmayr wiederum zog den Hut vor dem US-Amerikaner und gab zu, dass die ÖSV-Crew dessen Läufe schon seit längerer Zeit mitverfolgt und analysiert. "Ryan hat ihn mit einer richtig feinen Klinge runtergelassen, ganz wenig auf Drift. Der Junge ist in einer Super-Verfassung und hat uns heute gezeigt, was er so drauf hat", betonte Kriechmayr. An seiner eigenen Fahrt hatte er nicht viel auszusetzen: "Der untere Teil war so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es war der Rest vom Lauf auch sehr gut. Mit dem zweiten Platz bin ich sehr zufrieden."
Mit Matthias Mayer als Zehntem (+1,53 Sekunden) schaffte es ein zweiter ÖSV-Skirennläufer gerade noch in die Top Ten, zufrieden mit sich war der Olympiasieger aber nicht. "Es ist nicht so gelaufen. Speziell herunten vor dem Ziel habe ich noch ein paar Fehler gemacht, die Zeit gekostet haben", erklärte der Kärntner. Für Max Franz gab es als drittbestem Österreicher (und mit Rang 24) nur sieben Weltcup-Punkte. "Ich bin nicht ins Fahren gekommen, es war eine Qual", urteilte er. Sonst kam von der rot-weiß-roten Equipe nur noch Stefan Babinsky als 27. in die Punkte (+2,41). Hannes Reichelt wiederum wurde gar nur 38. (+3,55). Der 40-jährige Salzburger hat in Bormio schon Besseres erlebt. "Im Moment fehlt die Lockerheit", wusste Reichelt." Auf einer Strecke, auf der ich schnell sein müsste, solche Fehler zu machen, das wäre mir früher nicht passiert."
Revanche bei der Abfahrt?
Der dritte Stockerlplatz ging an den Norweger Adrian Smiseth Sejersted (+0,91), sein Landsmann Aleksander Aamodt Kilde wurde Vierter (+1,18). Die Revanche der Österreicher erfolgt am vorletzten Tag des Jahres in der dritten Saison-Abfahrt. Kriechmayr erblickt immerhin in seinem Super-G-Abschneiden einen Schub: "Aber die Abfahrt ist ein ganz anderer Charakter. Es verlangt totale Überzeugung von sich selbst, man muss voll am Limit runterfahren und hoffen, dass es einem nicht die Ski verschlägt." Nun, das Jahr ist noch nicht vorbei. Und so darf der ÖSV auch noch hoffen.