Wo sind sie nur hin, die Epigonen von Hermann Maier, Benjamin Raich und Marcel Hirscher? Was ist mit den Nachfolgerinnen von Anna Veith, Eva-Maria Brem und Nicole Hosp? Alle Genannten haben phasenweise den Riesentorlauf dominiert, Glaskugeln und Olympia- wie WM-Medaillen in der alpinen Grundsportart abgeräumt. Doch nun herrscht im ÖSV-Lager seit geraumer Zeit pure Tristesse - man muss schon froh sein, wenn wenigstens einer in die Top-Ten fährt respektive in einem Lauf mit der Weltspitze mithalten kann. Am Dienstag war keines von beidem der Fall: Im Damen-Riesentorlauf auf dem Kronplatz klassierte sich Stephanie Brunner als beste ÖSV-Fahrerin nur auf Rang 15 - die Ewigkeit von 2,60 Sekunden hinter der französischen Siegerin Tessa Worley.

Besonders bitter ist die latente Riesenslalom-Schwäche in Rot-Weiß-Rot vor allem hinsichtlich des Nationencups, der bekanntlich heuer - im Abschiedsjahr von Langzeit-Präsident Peter Schröcksnadel - in die Alpenrepublik zurückgeholt werden soll. Vor dem Herren-Nachtslalom am Dienstagabend betrug der Rückstand auf die führenden Eidgenossen 647 Zähler (nach 42 von 71 Rennen). Ließe man den Riesentorlauf weg - bei Damen wie Herren - läge der ÖSV schon wieder klar in Front. Denn just dort, wo sich die Achillesferse der Nicht-mehr-Skination-Nummer-eins befindet, sind die Schweizer in dieser Saison besonders stark. Mit Marco Odermatt, Loic Meillard und Justin Murisier bei den Herren; mit Michelle Gisin und Lara Gut bei den Damen. Letztere fuhr auf dem extrem schweren und ruppigen Hang in Südtirol auf Rang zwei, die Halbzeitführende Gisin kostete ein Fehler im Schlusshang den möglichen Premierensieg im Riesentorlauf.

Nimmt man nur die besten Platzierungen der heurigen Weltcupsaison heran, dann wäre eine rot-weiß-rote Riesentorlauf-Medaille bei der WM schon eine veritable Sensation: Stefan Brennsteiner (Alta Badia) und Roland Leitinger (Adelboden) sorgten mit achten Rängen für halbwegs akzeptable Resultate bei den Männern; unwesentlich besser lief es bei den Damen, wo Katharina Liensberger (Fünfte und Sechste in Courchevel) sowie Brunner (ebenfalls Sechste in Courchevel) die besten Resultate einfahren konnten. Eine schlagkräftige WM-Truppe, die sich von selbst aufstellt, sieht freilich anders aus. ÖSV-Damen-Chef Christian Mitter musste am Dienstag nach der nächsten Schlappe (unter seiner Maske) schmunzeln, als er konstatierte: "Die großen WM-Favoriten werden wir in Cortina ja nicht sein."

RTL wieder Basis im Nachwuchs

Dass der alpine Elementarschwung im ÖSV-Lager so gar nicht mehr funktioniert, haben von Schröcksnadel abwärts freilich längst alle erkannt - um den Tanker wieder auf Kurs zu bringen, dauert es jedoch. Bei den Herren wurde etwa das erfolgreiche "Team Hirscher" reaktiviert - inklusive Trainervater Ferdinand Hirscher und Coach Michael Pircher. Ziel ist es, junge Läufer an die Elite heranzuführen. Bei den Damen übt sich Mitter in Dauer-Durchhalteparolen ("Wir werden weiterkämpfen!"), weil er zumindest jedes Mal mehr als eine Handvoll Fahrerinnen hat, die sich für den zweiten Lauf qualifizieren. Dass die Breite die Basis für die (Welt-)Spitze ist, weiß auch ÖSV-Sportdirektor Toni Giger, weshalb im Nachwuchs der Riesentorlauf wieder als Basisdisziplin etabliert wurde. "Wir waren in den diversen Jahrgangslisten von unten hinauf nicht mehr so präsent in den vorderen Bereichen, weil er nicht mehr so forciert worden ist", sagte Giger jüngst im "Standard". "Daran wollen wir mittel- und langfristig arbeiten."

Dann werden wohl auch irgendwann wieder bessere Riesentorlauf-Zeiten kommen - im doppelten Wortsinn. Und damit würdige Nachfolger für Maier, Hirscher, Veith und Co.