Wenn alles normal läuft, werden sich Marta Bassino, Michelle Gisin, Tessa Worley, Mikaela Shiffrin, Petra Vlhova und Federica Brignone die WM-Medaillen im Riesentorlauf der Damen am Donnerstag (10/13.30 Uhr) untereinander ausmachen. Aber was ist schon normal an dieser Ski-WM in den Dolomiten - mit Wetterkapriolen, unorthodoxen Kurssetzungen, haudünnen Hundertstelentscheidungen und kafkaesken Nachtrags-Goldenen? Und darob darf sich auch das im Weltcup eher chancenlose ÖSV-Damen-Team - erst recht nach Gold für Katharina Liensberger im Parallel-Einzelbewerb mit Riesentorlauf-Toren - im klassischen Riesenslalom etwas ausrechnen.
Schließlich hat eine WM eigene Gesetze, jene zur Corona-Pandemie in Cortina offenbar ganz besonders.
"Man hat gesehen, dass die Katharina und Stephi Brunner einen sehr guten Speed haben. Es hat auch die Franziska Gritsch einen super Speed gezeigt im Qualifikationsrennen. Gritsch hat totales Pech mit einer Hundertstel gehabt. Auf dem bauen wir jetzt auf und geben Gas", formulierte es ÖSV-Cheftrainer Christian Mitter.
Aussichtsreichste Kandidatin auf einen Spitzenrang wäre an sich Stephanie Brunner, die schon öfter bewiesen hat, zur erweiterten Weltklasse zu gehören - dabei aber immer wieder von Kreuzbandrissen zurückgeworfen wurde. Allerdings waren ihre bisherigen Auftritte in den Parallelbewerben in Cortina nicht gerade von großer Form geprägt. Dennoch ist die 26-jährige Tirolerin optimistisch: "Ich habe im Training bewiesen, dass ich eigentlich viel besser fahren könnte", betonte Brunner angesichts ihrer Saisonbilanz, in der ein sechster und siebenter Platz aus Courchevel hervorstechen. "Für mich war in der Saison nicht alles negativ, ich bin ja fast zwei Jahre keine Rennen gefahren. Ich weiß, wo ich hinmuss und wie ich fahren kann." Nicht nur sie sei nach Cortina gekommen, "damit wir um Medaillen mitfahren". Allerdings muss sie - so wie Liensberger - die verpasste Medaillenchance am Mittwoch im Teambewerb erst einmal verdauen.
Franziska Gritsch war gleich gar nicht nominiert, zumal sie zuvor in "ihrem" Bewerb, dem Parallelformat, enttäuscht hatte und die Qualifikation nicht überstand. Auch bei ihr regierte das Prinzip Hoffnung: "Die guten Schwünge nehme ich auf jeden Fall mit. Ich habe wieder ein gutes Gefühl gehabt am Ski", meinte die 23-Jährige nach ihrem frühen Aus am Dienstag.
Die vierte ÖSV-Starterin am Donnerstag ist Ramona Siebenhofer, für die es nach Abfahrt, Kombination und Parallelbewerb der vierte WM-Einsatz wird. In der Kombination habe man laut Mitter gesehen, dass Siebenhofer "auf einmal den Slalomschwung auspackt, weil das Prinzip vom Schwung passt". In Kranjska Gora war Siebenhofer bei schwierigen Bedingungen auf einer eisigen Piste auf den siebenten und zwölften Weltcup-Platz im Riesentorlauf gefahren.
Weiche Piste und Sonnenschein
Diese Bedingungen wird es in Cortina aber nicht mehr spielen - frühlingshafte Plusgrade und Sonne dürften für weiche Pistenverhältnisse sorgen. Dennoch zeigte sich die Steirerin kämpferisch: "Ich werde nicht am Start stehen, damit ich nur 15. werde. Für das sind wir nicht da", stellte Siebenhofer klar. "Ich glaube, im Riesentorlauf ist richtig viel weitergegangen bei mir. Ich muss schauen, dass ich die Akkus lade und dass ich nicht überpowere."
In dieser Saison war Letzteres eher nicht das Problem der rot-weiß-roten Riesentorlauf-Equipe - den potenziellen Nachfolgerinnen von Anna Veith und Eva-Maria Brem mangelte es eher am schnellen Schwung. Bei der WM-Generalprobe jüngst am Kronplatz klassierte sich Brunner als beste ÖSV-Fahrerin nur auf Rang 15 - die Ewigkeit von 2,60 Sekunden hinter der französischen Siegerin Worley. Die beste Platzierung im heurigen Winter gelang Liensberger in Courchevel mit Rang fünf - allerdings fand dieses Rennen schon Mitte Dezember statt. Seither ging die Formkurve eher bergab statt bergan. Sodass Damen-Chef Mitter jüngst (unter seiner Maske) schmunzeln musste und gänzlich den Druck von seinen Riesentorlauf-Damen nahm, indem er konstatierte: "Die großen WM-Favoriten werden wir in Cortina ja nicht sein."