Zwölf ÖSV-Damen und zwölf -Herren kämpften dieser Tage in den französischen Nobelskiorten Courchevel und Méribel um Edelmetall. Sieben Medaillen, aber erstmals seit 1987 keine Goldene, sprangen dabei heraus. Oftmals ist es nicht nur ein schmaler Grat zwischen Gold, Silber, Bronze oder eben Blech, sondern auch zwischen Dabeisein und Zuschauen. Einer, der darüber bestens Bescheid weiß, ist Thomas Dorner. "Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht eines Tages gerne dabei gewesen wäre", sagt er.

Zehn Weltcupstarts und 71 im Europacup hat der Vorarlberger zu Buche stehen. Weitere werden aber nicht mehr dazukommen. Rund um den Jahreswechsel beendete Dorner das Kapitel alpiner Skirennsport. Der Vorarlberger galt als Riesentorlaufspezialist, sein letztes Weltcuprennen absolvierte er am 23. Oktober 2022 - den Weltcupauftakt am Rettenbachferner in Sölden.

Schon in der Vorbereitung habe er gespürt, dass die Leidenschaft nicht mehr die gleiche war wie zuvor, und die Überwindung für das Konditionstraining immer schwerer fiel. Seinem eigenen Motto "entweder mache ich etwas gescheit oder gar nicht" wurde er nicht mehr gerecht. Die Saison trotz fehlender Leidenschaft fertig zu fahren, kam für ihn nicht infrage: "Für mich ist das nach wie vor der schönste Sport, den es gibt, und den hätte ich gerne so in Erinnerung, wie er ist", erzählt der 24-Jährige in Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Die Liebe zum Skisport fand der Vorarlberger als Dreijähriger im Skigebiet der Heimatgemeinde Andelsbuch. Schnell war klar, dass Dorner zu den Besten zählt: "Als ich dann in die Hauptschule gekommen bin, hat der Papa, der früher selbst im Weltcup war, gesagt, dass er mich auf diesem Weg gerne professioneller unterstützen würde, wenn ich das möchte." Für das letzte Schuljahr der Unterstufe wechselte Dorner dann in die Skihauptschule Schruns, um einen Vorgeschmack auf eine Ganztagsschule samt Internat zu bekommen. Anschließend folgte die Skihandelsschule Stams, wo alles dem Ziel, Spitzensportler zu werden, untergeordnet wird: "Man steht um halb sieben auf, dann gibt es ein Frühstudium, dann ist bis zwölf Uhr Schule, und nach dem Mittagessen trainierst du eigentlich bis zum Abendessen." Im Winter gibt es verschiedene Modelle: von Training am Vormittag und Schule am Nachmittag bis zu Rennferien mit Online-Hausaufgaben.

Neun solche Schwerpunktschulen gibt es für die Unterstufe. Nach vier Jahren Skimittelschule wählen die Jugendlichen - nach bestandener sportlicher Aufnahmeprüfung - zwischen AHS und BHS-Modellen aus: Zur Auswahl stehen Skigymnasien beziehungsweise Skihandelsschulen in Stams, Saalfelden, Schladming, Waidhofen an der Ybbs sowie die höhere Lehranstalt für Tourismus und Ski in Bad Hofgastein. Um die 500 Wintersportlerinnen und Sportler besuchen derzeit solche Schwerpunktschulen.

Der Durchbruch

Als die Zeit in Stams zu Ende ging, entschied sich Dorner neben dem Nachholen der Matura für das Training mit dem Team Global Racing. Unter Leitung von Paul Epstein trainieren dort die vermeintlichen Exoten Sam Maes, Dries Van den Broecke unter belgischer Flagge, aber auch der Top- 15-Pilot des Schladming-Riesentorlaufes, Hannes Zingerle aus Italien. "Ich bin dann mit ins Trainingslager nach Neuseeland gefahren und habe dort schnell gemerkt, dass alles, was Paul sagt, Sinn ergibt und mich besser macht." Mit 16 FIS-Punkten im Gepäck trat der Vorarlberger die Heimreise an. Noch bevor die Rennsaison in Europa so richtig losging, wusste der Vorarlberger, dass er aufgrund der niedrigen Punkte in der nächsten Saison im ÖSV sein wird.

Die FIS-Punkte sind es auch, die Insidern immer wieder Kopfzerbrechen bereiten. Dabei gilt: je weniger, desto besser. "Null Punkte macht derjenige, der ein Weltcuprennen gewinnt", erklärt Dorner. Bei jedem Rennen ergibt das einen Punkteschlüssel, der sich aus der Qualität des Starterfeldes, der Laufzeit, dem Abstand zwischen Erst- und Zehntplatzierten und einiger weiterer Faktoren zusammensetzt. Diese Punktelisten erscheinen monatlich. Dazwischen gilt es für die Athletinnen und Athleten, die Punkte in der jeweiligen Disziplin so weit zu drücken, dass nach Weltranglistenplatzierung ein Weltcupstartplatz gleich nach den Top 30 herausschaut.

Training, Rennen, Verpflegung, Reisen in Mitteleuropa, aber auch nach Übersee oder Neuseeland: je nach Programm entstehen dabei teils enorme Kosten. Hans Knauß sprach in einem Interview von rund 20.000 Euro pro Saison. Die Erfolgssaison von Thomas Dorner inklusive Neuseeland und Skandinavien überstieg die 30.000-Euro-Marke klar. Kosten, die - ohne ÖSV-Kaderstatus - hauptsächlich privat geschultert werden müssen. Hohe Preisgelder sind abseits von Weltcuprennen eher die Ausnahme als die Regel.

Nach der Erfolgssaison änderte sich die finanzielle Situation des jungen Vorarlbergers: "Neben dem Heeressport gibt es auch den Polizei- und Zollsport, und es gibt auch die Möglichkeit, bei ,Spar‘ eine Ausbildung zu machen." Dorner selbst war fünf Jahre lang Heeressportler und bezog dort denselben Lohn wie "ein Soldat mit demselben Dienstgrad in der Kaserne".

Gelder lukrieren ÖSV-Athletinnen und -Athleten aus mehreren Möglichkeiten: Ausrüsterverträge, von der Skifirma über die Helmmarke bis zu den Handschuhen und Stöcken. Und Kopfsponsor. Dieser wird allerdings vom ÖSV abgeschlossen, der zehn Prozent der Einnahmen einbehält: "Wenn du im ÖSV bist, bekommst du alles gestellt. Das Einzige, das ich im ÖSV gebraucht habe, war ein Auto und die Spritkosten", erzählt Dorner. Das Leistungsprinzip regelt mithilfe von Platzierungsprämien nicht nur Sponsorenverträge, sondern auch, wer einen ÖSV-Kaderstatus bekommt und wer nicht. "Als so großer Verband wie der ÖSV brauchst du einfach schriftliche Kriterien, welcher Athlet welche Kriterien in welchem Jahrgang erfüllen muss", sagt Dorner. Ohne Kriterien mache man die Tür für Trainerentscheidungen auf. Geknüpft an die FIS-Punkte kommt es dadurch aber nicht selten vor, dass Einzelne aufgrund einer schlechten Saison am Abstellgleis landen.

Spätestens seit der Erfolgsgeschichte von Doppelolympiasieger Johannes Strolz kennen Beobachter diese Thematik.

Was Norwegen anders macht

Beschriebenes System sei auch der Grund, wieso man laut Dorner Österreich nicht mit der Erfolgsnation Norwegen vergleichen könne: "Dort trainieren im Sommer alle gemeinsam am Olympiatoppen in Oslo." Neben dem Teamgefüge sei auch das öffentliche Interesse weit geringer: "Bei uns hast du immer das Gefühl, dass du liefern musst, sonst wirst du zerrissen", sagt Dorner. Druck, den in Norwegen andere hätten: Langläufer, Kombinierer, Biathleten. Auch sei die Leistungsdichte im Nachwuchs nicht so hoch wie hierzulande: "Ich bin noch gegen den Lucas Braathen im Europacup gefahren, als der so durchgestartet ist. Der hat Europacuprennen gewonnen und war trotzdem noch nicht im norwegischen Skiverband."

Auch betont Dorner, dass es bei vergangenen Großereignissen dennoch die Skination Österreich gewesen sei, die abgeräumt hätte. Heuer war dies nicht der Fall: Zwar holte der ÖSV in Frankreich siebenmal Edelmettal, mit neun Medaillen, zwei davon in Gold, belegten die Norweger aber den zweiten Platz im Medaillenspiegel hinter der Schweiz. Österreich hingegen musste sich mit Rang acht begnügen.