Die WM-Medaillen sind vergeben, der Gesamtweltcup ist entschieden, auf die Skispringerinnen wartet vor Saisonschluss aber noch ein weiterer, besonderer Höhepunkt. Nach jahrelangem Streben um die Einführung von Skifliegen für Frauen findet diese besondere Premiere nun am Sonntag (10 Uhr/ORF Sport+) statt, und das auf dem Weltrekordbakken von Vikersund. Unter den Skifliegerinnen werden mit Chiara Kreuzer und Gesamtweltcup-Siegerin Eva Pinkelnig zwei ÖSV-Athletinnen sein. Kreuzer hatte schon bei den Weltmeisterschaften mit einem "Es wird Zeit" ihre Entschlossenheit ausgedrückt. Auch Pinkelnig entschied sich bewusst für ein Antreten.
Aus Sicherheitsbedenken nicht dabei ist hingegen Julia Mühlbacher. Sie hat wegen einer eingeschränkten Saisonvorbereitung und nur wenigen Großschanzen-Sprüngen auf ein Antreten verzichtet. Als 15. der Raw Air wäre ihr ein Skiflug-Ticket sicher gewesen. Nun aber will die Oberösterreicherin die Zuschauerrolle genießen: "Ich erwarte mir ein recht cooles Spektakel mit Weiten bis zu 235 Meter." Den Männer-Weltrekord hat Stefan Kraft in Vikersund 2017 mit 253,5 Metern fixiert, die inoffizielle Bestleistung der Frauen hatte Daniela Iraschko-Stolz 2003 bei einem "Flugtag" am Kulm in Tauplitz mit exakt 200 Metern erreicht.
Innauer: Aufprallwucht fatal
Indes wollen jene Stimmen, die seit Jahren vor Skiflug-Veranstaltungen für Frauen warnen, nicht verstummen. Kritisch äußert sich etwa der ehemalige Skiflugweltrekordler Toni Innauer. Innauer hatte seine ablehnende Haltung gegenüber Frauen-Skifliegen bereits Anfang 2022 als ZDF-TV-Experte ausgesprochen und dafür Kritik geerntet. In einem offenen Brief an den Skiweltverband FIS wurde der Olympiasieger von 1980 im vergangenen Sommer dann konkreter und reagierte damit auf die mittlerweile fixiert gewesene Ansetzung für Vikersund. Der Vorarlberger sprach biomechanische, medizinische und ethisch moralische Argumente an, die dem Damen-Skifliegen entgegenstünden. Bei einem typischen Skiflugsturz seien Probleme zu erwarten.
So sei "der Körper einer in unserer Sportart auf Leichtgewicht getrimmten Frau, aufgrund des geschlechtsspezifisch geringeren Muskelanteils am Gesamtkörpergewicht, weniger widerstandsfähig als der eines Mannes", führte der 64-Jährige aus. Die Kombination aus im Vergleich zu den Männern erhöhter Anlaufgeschwindigkeit und daraus folgender erhöhter Aufprallwucht könne sich fatal auswirken. "Es wäre gut gewesen, echte Experten - Praktiker und Wissenschafter - zum Einschätzen und Beratschlagen zuzuziehen", sagte Innauer. Allein, bei der FIS stieß der Vorarlberger auf kein Gehör.
Die Skispringerinnen wiederum mussten sich am Freitag mit ihren ersten Versuchen auf der Flugschanze in Vikersund noch gedulden. Das Training wurde wegen der wechselnden Schnee- und Windsituation abgesagt. Das erste Training soll nun diesen Samstag um 10 Uhr stattfinden.