Auch wenn es aktuelle Ereignisse wie die Fußball-EM-Qualifikation, der Formel-1-Zirkus oder auch Dominic Thiems fehlende Form vielleicht etwas überdecken, bahnt sich in Nordischen Kombination am Wochenende ein aus österreichischer Sicht seltener sportlicher Erfolg an. Der Tiroler Johannes Lamparter steht hier nämlich vor der möglichen Krönung seiner bisherigen Karriere. Aus den beiden Bewerben am Samstag (12 Uhr MEZ) und Sonntag (10 Uhr MESZ) in Lahti fehlen ihm nur 54 Punkte, um sich zum ersten Mal den Gesamtweltcup in diesen Bewerb zu holen. Aber: Es lauert nicht nur Julian Schmid, sondern auch der lediglich sechs Zähler hinter dem Deutschen rangierende Norweger Jens Luraas Oftebro.
Wenig überraschend setzt Lamparter daher den Gewinn des Gesamtweltcups auch höher als seine zwei WM-Titel von Oberstdorf 2021 an. "Der Gesamtweltcup ist das Größte, was man erreichen kann", sagte der 21-Jährige. "Da muss über eine ganze Saison alles zusammenpassen. Der beste Athlet über einen langen Zeitraum, das ist dann schon eine Bestätigung und als Athlet das Größte." Um das zu realisieren, befindet sich Lamparter schon seit Montag in Lahti, um Kraft zu tanken und die dort guten Bedingungen in der Loipe und auf der Schanze zu nutzen.
Dass die Entscheidung im nordischen Mekka Finnlands stattfindet, kommt dem dreifachen WM-Medaillengewinner von Planica gelegen. 2019 und 2021 wurde er in Lahti Junioren-Weltmeister, im Vorjahr Weltcup-Dritter. "Es ist ein richtig cooler Ort, ein richtig cooles Stadion", erklärte Lamparter. In dem will er nicht auf Taktik und die unbedingt nötigen Punkte gehen, sondern auf möglichst gute Ergebnisse. "Ich nehme jeden Punkt, den ich bekomme. Ich werde nicht taktieren und sagen, mir reicht ein dritter Platz. Ich möchte ein richtig gutes Wochenende haben."
Gedanken an einen die Einzelpläne durchkreuzenden Sprung-Sturz verschwendete er vor dem Springen, bei dem er dann angesichts schlechter Windverhältnisse am Samstag nur auf Platz 24 landete, nicht: "Passieren kann immer etwas", so Lamparter, der vor dem Sprint 1:58 Minuten Rückstand auf den Führenden nach dem Springen, Kristjan Ilves aus Estland, hat. WM-Dominator Jarl Magnus Riiber startet als Dritter mit 22 Sekunden Rückstand in die Loipe.
Jeder Punkt wird auch für den Nationencup wichtig sein, in dem nur 117 Punkte auf Leader Deutschland fehlen. Im ÖSV-Lager ist man aber realistisch, dass das schwierig aufzuholen ist. Lamparter sagte auch, dass nicht alle seiner Kollegen vollfit sind: "Man muss hoffen, dass die Deutschen patzen."
Lamparter erwartet, dass Vierfach-Weltmeister Jarl Magnus Riiber in Lahti nicht so leichtes Spiel haben werde wie zuletzt in Oslo. Da der Norweger nur zwölf Saison-Weltcups bestritten hat und das Trio Lamparter/Schmid/Oftebro alle 20, ist er bereits aus dem Kugel-Rennen. Lamparter relativiert die Überlegenheit Riibers jedoch auch ein wenig. "Ich schätze Jarl wieder richtig stark ein. Aber er hat drei, vier Wochen Pause gehabt. Wenn ich die gehabt hätte, hätte ich noch einen Kraftblock eingeschoben, dann wäre ich besser auf der Schanze."
Als angenehm empfindet der Weltcup-Gesamtzweite von 2022, dass er nicht als Jäger in das Finalwochenende geht, sondern vorne liegt. "Ich muss nicht hoffen, dass wer von den anderen patzt. Wenn ich meine Leistung abrufe, dann passt es." Schützenhilfe vom Team erwartet er sich nicht unbedingt, und seine beiden Hauptkontrahenten Schmid und Oftebro schätzt der Rumer stark ein. "Es sind beide gute Finisher, es können beide gut beißen. Wenn die ihre Leistung abrufen, wird es sicher ein heißer Kampf." Lamparter wäre immerhin erst der dritte Österreicher nach Klaus Sulzenbacher (1987/88 und 1989/90) und Felix Gottwald (2000/01), der den Gesamtweltcup holen würde.
Verpatzter Teambewerb
Die Hoffnung Lamparters, mental von einem guten Erfolg im Teambewerb in Lahti zu profitieren, erfüllte sich jedoch nicht. Trotz Doppelführung nach dem Springen haben die beiden rot-weiß-roten Duos am Freitag die Stockerlplätze verpasst. Beim Sieg des deutschen Gespanns Julian Schmid/ Vinzenz Geiger blieb Franz-Josef Rehrl und Lukas Greiderer (+12,8 Sekunden) nur der vierte Platz, Lamparter und Stefan Rettenegger (+28,1) mussten sich trotz Führung mit Rang fünf begnügen. "Es war ein zaches Rennen", meinte Lamparter. Ein schlechtes Omen sieht er darin aber nicht.