Beaver Creek. (may) Jeder gegen jeden, alles oder nichts, Medaille oder Ausfall: Unter diesem Motto werden sich am Sonntag (18.15/22.15 Uhr) beim finalen Bewerb der alpinen Ski-WM die besten Slalomartisten den Schlusshang der Raubvogelpiste runterstürzen - und hoffen, dass ihre Vollgas-Fahrt am Ende mit Edelmetall belohnt wird. Nirgendwo sonst ist das Ausfallrisiko so hoch wie im Slalom und nirgendwo sonst fallen tatsächlich so viele aus wie bei weltmeisterlichen und olympischen Torläufen; allzu gut in Erinnerung ist etwa noch die Ausfallsorgie in Krasnaja Poljana, als vor einem Jahr die Olympiagold-Favoriten nur so in den Frühlingsschnee purzelten. Bei Großereignissen zählen eben nur Gold, Silber oder Bronze - lieber im Schnee liegen, als zu Blech carven, denken sich da viele.

Und angesichts des riesengroßen Favoritenkreises im Herren-Slalom bleiben Läufer, die mit einer sauberen Fahrt sicher ins Ziel kommen wollen, besser gleich am Start, denn sie wären chancenlos: Sechs verschiedene Siegergesichter hat der heurige Slalom-Weltcup in acht Rennen schon gesehen - jedes aus einer anderen Nation. Somit kann sich gut ein Dutzend Fahrer am Sonntag Chancen auf den großen Coup ausrechnen - mit einem Traumlauf ist jeder vorne mit dabei. Vom zweifachen Saisonsieger Felix Neureuther über den starken Russen Alexander Choroschilow, Adelboden-Triumphator Stefano Gross bis hin zu den Schweden Mattias Hargin, Andre Myhrer und Markus Larsson sowie den Norwegern Henrik Kristoffersen und Sebastian Foss-Solevaag ist jeder für den Sieg gut. Nicht zu vergessen die gefährlichen Franzosen um Jean-Baptiste Grange, Alexis Pinturault und Julien Lizeroux sowie der Flachhang-Liebling Giuliano Razzoli und der konstante Spitzenathlet Fritz Dopfer.

Somit wird aber auch die Titelverteidigung für Marcel Hirscher, der vor zwei Jahren in Schladming vor 40.000Fans sein Meisterstück abgeliefert hatte, fast schon zur Mission Impossible. Zumal der Torlauf - anders als in den Vorsaisonen - heuer nicht mehr seine dominante Disziplin ist. Zwei Siegen (Aare und Zagreb) sowie drei Stockerlplätzen stehen ein Ausfall (Wengen) und ein enttäuschender 14. Platz im letzten Prä-WM-Rennen in Schladming gegenüber. "Ich bin schlecht Ski gefahren. Ich muss schauen, dass ich im Slalom zur Form finde. So mies war ich schon lange nicht mehr", diagnostiziert der Salzburger nach Schladming selbstkritisch. Wie der Überraschungserfolg in der WM-Kombination (mit Laufbestzeit im Slalom) sowie die starken Läufe im Teambewerb bewiesen, hat er seine Form längst wieder erlangt. (Der WM-Riesentorlauf war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch im Gang.)

Und mit frischen Goldmedaillen um den Hals lässt es sich gewiss auch viel leichter Slalomfahren als vor zwei Jahren. Damals lastete der ganze Druck der Skination auf seinen Schultern - Hirscher musste es im letzten Bewerb richten und die einzige Einzel-Goldene bei den Heimspielen sichern. Damals war Gold Pflicht, am Sonntag wäre sie bloß Kür. Ein rot-weiß-rotes Gold unter vielen.

Matt: Der Erfolgreichste tritt ab

Das sollte aber auch die restliche, nicht gerade erfolgsverwöhnte heimische Slalom-Equipe beflügeln: Mario Matt etwa, der erfolgreichste österreichische Slalomfahrer der Ski-Geschichte mit Olympiagold 2014 sowie den beiden WM-Titeln 2001 und 2007. Es wäre allerdings eine mittlere Sensation, wenn sich der 35-Jährige zum dritten Mal WM-Gold holen würde, denn zu einer an Ausfällen reichen Saison gesellte sich ein kapitaler Trainingssturz in Colorado, der ein Antreten in Frage stellen ließ, sowie ein lästiger Infekt. Dabei ist es definitiv sein letztes Großereignis, denn ein Antreten bei der WM in zwei Jahren in St. Moritz schließt Matt "zu hundert Prozent" aus. "Natürlich ist das alles andere als positiv. Aber wenn ich halbwegs schmerzfrei in den Skischuh steigen kann und die Abstimmung treffe, dann weiß ich, dass ich es drauf habe. Mein Speed passt, auch wenn es die Ergebnisse in dieser Saison noch nicht gezeigt haben", meinte Matt. Ein Umstand wird ihn zusätzlich motivieren: In der ÖSV-Mannschaft steht neben ihm, Hirscher, Benjamin Raich und Reinfried Herbst auch noch sein 21-jähriger Bruder: Michael Matt.

Ein 16. Platz in Wengen (mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang) bescherte ihm das WM-Ticket - vor allem auch deshalb, weil sämtliche Konkurrenten entweder verletzt oder nicht vorhanden sind. Große Erwartungen in die WM-Premiere hat er nicht: "Ich werde keine Wunderdinge probieren, sondern mich auf das konzentrieren, das ich kann. Mein Ziel sind die Top-15", meinte der Jüngste im ÖSV-Slalom-Quintett. Zumindest einer will also nicht Vollgas alles riskieren, sondern diesmal einfach nur WM-Luft schnuppern.