Wien. (kai) Gefasst, mit ruhiger Stimme, aber doch mit feuchten Augen blickte Benjamin Raich auf seine Karriere zurück, nachdem er die von seinen zahlreichen Fans bereits befürchtete Botschaft kurz und - nahezu - schmerzlos ausgesprochen hatte. Die Spannung, die es brauche, um erfolgreich Rennen zu fahren, sei nicht mehr da. "Aus diesem Grund werde ich hier und heute den Schritt nach vorne machen und als Skirennfahrer zurücktreten."
Er habe die Entscheidung "schon vor zwei, drei Wochen getroffen", so Raich bei der Pressekonferenz in Wien. "Wenn ich zurückblicke, dann habe ich viel Erfolg gehabt." In seinen 441 Weltcup-Rennen stand Raich 36 Mal ganz oben auf dem Stockerl. Zwei Mal Olympiagold und drei Weltmeistertitel nimmt er ebenfalls mit in den Ruhestand. Der größte Erfolg war aber wohl der Gewinn der großen Kristallkugel. Den Gesamtweltcup holte sich Raich im Winter 2005/2006, seinem goldenen Winter - im selben Jahr triumphierte er auch bei den Olympischen Winterspielen in Turin.
Wie eine Klammer umspannen zwei besondere Siege seine Karriere - der erste Weltcup-Sieg im Slalom in Schladming im Jänner 1999, als er nach dem ersten Durchgang nur an 23. Stelle lag und eine furiose Leistung im zweiten Lauf mit dem Sieg krönte; und der letzte Sieg 13 Jahre später, als er in Crans Montana zum ersten und einzigen Mal im Super-G triumphierte.
"Gefühl täuscht mich nicht"
"Der Benni ist einer der größten Skirennfahrer, die wir je gehabt haben. Nicht nur als Sportler, sondern auch charakterlich", erklärte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. Mit sichtlichem Bedauern fügte er hinzu, dass es ihm leider nicht mehr gelungen sei, Raich die Entscheidung auszureden. "Vor zwei Jahren ist es mir noch gelungen, ihn ‚umzudrehen’. Aber Benni, du hast recht. Du bist gesund, es ist das Größte, wenn man als Sportler gesund abtreten kann." Vor allem im körperlich so belastenden Skisport. "20 Jahre Spitzensport - das ist eigentlich unvorstellbar. Wir sind sehr, sehr glücklich, dass wir dich gehabt haben."
Raich begründete seinen Rücktritt mit seinem eigenen Bauchgefühl. Er habe zwar den Sommer über hart und mit Freude trainiert, aber "ich spüre es, und mein Gefühl hat mich selten getäuscht", sagte Raich.
Nach der aktiven Karriere kommen nun andere Herausforderungen auf Raich zu. Ehefrau Marlies erwartet im Herbst das erste gemeinsame Kind, und nachdem sie vor zwölf Monaten ihre erfolgreiche Karriere beendet hat, folgt ihr nun auch Raich ins Familienleben nach. Das gemeinsame Kind sei aber nicht der Grund für den Rücktritt gewesen, wie Marlies Raich betonte. "Wahrscheinlich hat es in Bennis Bauchgefühl eine Rolle gespielt", gestand sie ein und fügte im Hinblick auf den Herbst an: "Natürlich ist es etwas, das unser Leben sehr verändern wird und auf das wir uns beide gemeinsam jetzt sehr intensiv freuen können."
Die Liste derer, bei denen sich Raich am Ende seiner Karriere bedankte, war annähernd so lang wie die Liste seiner Erfolge. An erster Stelle nannte Raich seine Eltern. "Sie haben mich zum Skifahren gebracht, haben den Freiraum dafür geschaffen und den Rückhalt." Auch bei seiner Frau Marlies bedankte er sich für ihre Unterstützung, ebenso wie bei seinen Mannschaftskollegen. Mit Tränen in den Augen erklärte er: "Es ist wichtig, dass es eine gute Stimmung gibt, und die hat es gegeben, und dafür bin ich sehr dankbar."
"Skifahren war mein Leben"
Es sei auch immer klar gewesen, dass seine Entscheidung in jedem Fall die Unterstützung seiner Familie wie auch seiner Frau habe. "Meine Leute um mich herum haben gesagt: ‚Du musst das selber spüren‘, und so war es dann auch. Und die Marlies hat mir gratuliert zu der Entscheidung."
"Im Grunde ist es die Entscheidung von Benni", unterstrich seine Frau Marlies. "Ich finde die Entscheidung gut. Ich hätte sie auch anders gut gefunden, aber so ist es natürlich schön."
Am Ende seiner großartigen Karriere überwiegt bei Raich vor allem die Dankbarkeit für das Erlebte. "Das Skifahren war mein Leben, aber natürlich kann ich jetzt auch einmal durchschnaufen", sagte er. Und sichtlich bewegt: "Ich kann nur dankbar sein, was mir der Sport, aber auch die Menschen gegeben haben. Wir haben immer das gemacht, was unsere Begeisterung war, was unsere Liebe war."