"Wir wollen besser, respektvoller und anders sein." Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verband Dienstagfrüh den Appell zum Miteinander an die anderen Landesparteien mit einer unüberhörbaren Abgrenzung zu den Parteien auf Bundesebene – und damit auch zur Kanzlerpartei ÖVP. Sie unterstrich damit bei der Präsentation der 35 Kandidaten umfassenden, vom ÖVP-Landesparteivorstand einstimmig beschlossenen Landesliste vor der Landtagswahl am 29. Jänner 2023 die bereits seit Monaten demonstrierte Distanz zur Koalition im Bund. Bei dieser drohen Mikl-Leitners ÖVP deutliche Einbußen und ein Rückfall von 50 Prozent bis zur 40-Prozent-Marke und jedenfalls der Verlust der knappen absoluten Mehrheit mit 29 von 56 Mandaten im Landtag seit der Wahl 2018.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei der Präsentation der ÖVP-Landesliste zur Landtagswahl. 
- © apa / Tobias Steinmaurer

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei der Präsentation der ÖVP-Landesliste zur Landtagswahl.

- © apa / Tobias Steinmaurer

Wie schon vor und nach der Landtagswahl 2018 setzt die ÖVP-Spitzenkandidatin auch im heurigen Wahlkampf ganz auf die Betonung der Kooperation der Parteien auf Landesebene. Sie richtete ausdrücklich einen Appell an die politischen Mitbewerber für den Landtagswahlkampf: "Zerschlagen wir nicht das Porzellan, das wir nachher nicht mehr kitten können." Dieses "Miteinander" sei außerdem notwendig, "weil es die Zeiten auch verlangen", sagte Mikl-Leitner angesichts der aktuellen Krisen von der Teuerung bis zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Allerdings hat die SPÖ schon heuer im Herbst Kritik an dieser offenkundigen Umarmungsstrategie der Landeshauptfrau geübt, weil das Miteinander für die ÖVP nur gelte, wenn es für diese passe.  

 

Großteil der Beschlüsse einstimmig

Die Landeshauptfrau untermauerte ihren ausdrücklichen "Wunsch" zum weiteren Miteinander bei der Vorstellung der ÖVP-Landesliste mit dem Hinweis auf die vergangenen viereinhalb Jahre in der Landespolitik. 99 Prozent der Beschlüsse der Landesregierung und 98 Prozent der Beschlüsse im Landtag seien einstimmig erfolgt. "Dieses Miteinander war nicht nur ein Wort, dieses Miteinander haben wir gelebt", erklärte die ÖVP-Landeschefin trotz der diesbezüglichen Zweifel von SPÖ-Seite. Dazu solle man nach der Landtagswahl am 29. Jänner wieder zurückfinden, mahnte sie: "Der Wahlkampf ist nach dem 29. Jänner wieder vorbei."

Die Einreichfrist für die Listen bei der Landtagswahl ist am 23. Dezember zu Ende gegangen. Nur die fünf bereits im Landtag vertretenen Parteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos werden am 29. Jänner landesweit in allen Wahlkreisen antreten. Auch die impfkritische Liste MfG, die bei der Oberösterreich-Wahl im September 2021 noch aus dem Stand den Sprung in den Landtag geschafft hat, und die KPÖ haben eine Kandidatur nur wenigen Wahlkreisen geschafft. Für sie bedeute die Präsentation der 35 Kandidaten umfassenden ÖVP-Landesliste die "Präsentation der gesamten Kraft der Volkspartei", formulierte Mikl-Leitner flankiert vom bisherigen ÖVP-Regierungsteam mit Vizelandeshauptmann Stephan Pernkopf an der Spitze und den weiteren Kandidaten der ÖVP-Liste hinter ihr. 19 Bewerber treten erstmals zur Wahl an, die jüngste Kandidatin ist 24 Jahre alt, der älteste Kandidat 73 Jahre. Für die Volkspartei werde der Wahlkampf bis zum 29. Jänner 2023 der "schönste, persönlichste und fairste" sein. Mit einem Seitenhieb ergänzte Mikl-Leitner, für die anderen Parteien werde es vielleicht der "tiefste, anonymste" Wahlkampf.

 

ÖVP-Warnung vor Rot-Blau in Niederösterreich

Niederösterreichs ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner legte nach: Man werde vielleicht den "schmutzigsten Wahlkampf aller Zeiten" erleben. Tatsächlich war das allerdings auch vor Wahlkämpfen in der Vergangenheit immer wieder betont worden. Das Match laute alle gegen Landeshauptfrau Mikl-Leitner. Der ÖVP-Landesgeschäftsführer malte sogar einen drohenden Sturz Mikl-Leitner als Landeshauptfrau an die Wände der niederösterreichischen ÖVP-Landesparteizentrale. Angesichts des nach Umfragen bevorstehenden Verlusts der absoluten Mehrheit warnte Ebner: "Das Match lautet auch Blau-Gelb gegen Rot-Blau."  Er spielte damit auf eine etwaige rot-blaue Koalition gegen die ÖVP mit Grünen und Neos als Zünglein an der Waage an, wenn die ÖVP im Landtag die absolute Mehrheit verliert. Tatsächlich ist zumindest die relative Mehrheit für die ÖVP laut Umfragen gar nicht in Gefahr, weil die SPÖ als bisher zweitstärkste Kraft in den Umfragen weiter bei rund 25 Prozent stagniert.

Über die Weihnachtsfeiertag fielen in Niederösterreich vor allem die bereits aufgestellten zahlreichen Wahlkampfplakate der FPÖ mit Spitzenkandidat Udo Landbauer auf. Die FPÖ erreichte 2018 knapp 15 Prozent der Stimmen und darf laut Umfragen mit Zuwächsen rechnen. Offizieller Wahlkampfauftakt der ÖVP für die Landtagswahl in Niederösterreich wird am 9. Jänner sein. Tags darauf kommt die Bundesregierung von ÖVP und Grüne zur Klausur einmal nach Mauerbach in Niederösterreich direkt an der Landesgrenze westlich von Wien.