In ihrer ersten Reaktion auf das Wahldebakel am Sonntag hatte die ÖVP Niederösterreich noch in Richtung Wien gezeigt. Den Absturz auf knapp unter 40 Prozent interpretierte man da noch vor allem als "Protest gegen den Bund", wie Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner sagte.
Tags darauf, am Montag, teilte dann der scheidende ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger eine andere Beobachtung: "Dort, wo die großen Impfgegner waren, haben wir massiv verloren", beklagte er im ORF-Radio. Und weiter: "Wir haben im Vorfeld mit unseren Abgeordneten schon gehört, dass diese Frage Impfen im ländlichen Bereich für uns, wenn Sie so wollen, fast tödlich war."
Der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien hat noch am Abend nachgerechnet. Und er fand tatsächlich eine starke Korrelation zwischen den Stimmengewinnen der FPÖ (bzw. den Verlusten der ÖVP) und dem Impfstatus der Bevölkerung in den einzelnen Gemeinden.
Aus den am Sonntag veröffentlichten Wahltagsbefragungen war dies nicht herauszulesen. Bei Sora nannten zwar sieben Prozent der FPÖ-Wähler die Corona-Haltung der FPÖ als Wahlmotiv, doch damit schaffte es das Thema nur an die vierte Stelle – gemeinsam mit dem Wunsch nach Veränderung, nach einem Ende der ÖVP-Mehrheit und nach Kontrolle. Das deutete zunächst nicht auf einen gravierenden Zusammenhang mit der Corona-Politik hin.
Klare Korrelation
Bedacht werden muss aber: Sora fragt stets nach dem Hauptmotiv der Wahlentscheidung und kategorisiert dann die Antworten. Die Corona-Haltung wurde zwar selten, aber doch einige Male als Hauptmotiv genannt – ein Jahr nach dem mittlerweile aufgehobenen Beschluss zur Impfpflicht. Auch in der medialen Berichterstattung und auch der Lebensrealität überwiegen längst andere Themen wie der Krieg und natürlich die Teuerung.
Deutlicher wird der Zusammenhang bei der genaueren Auswertung der Gemeindeergebnisse. Hätte nur das Viertel der Gemeinden mit der geringsten Durchimpfung gewählt, dann hätte die FPÖ 30 Prozent erreicht. In Gemeinden mit besonders hohen Anteil an geimpften Personen fuhr die FPÖ dagegen ein unterdurchschnittliches Ergebnis ein. Ein ähnlicher Trend war auch bei der oberösterreichischen Landtagswahl beobachtet worden, allerdings trat dort auch die impfskeptische MFG noch in Erscheinung, in Niederösterreich verfehlte sie den Einzug in den Landtag klar.
Die Korrelation zwischen Wahlentscheidung und Impfstatus ist eindeutig. Die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack, die beim Austrian Corona Panel maßgeblich mitwirkte, mahnt jedoch Vorsicht bei der Interpretation ein. Die Daten sagen nicht aus, ob der Impfstatus die politische Einstellung forme oder die politische Einstellung den Impfstatus beeinflusse. "Bei der Einstellung zur Impfung geht es nicht nur um das Impfen selbst, sondern auch um Bevormundung", sagt Prainsack zur "Wiener Zeitung". Schon bevor die Impfpflicht beschlossen wurde, war der Druck, sich impfen zu lassen, groß. (sir)