Auf den bulligen Stadtpolitiker prasselte in den vergangenen Tagen Kritik wie bei einem heftigen Sommergewitter von der Bundespolitik nieder. Der sonst ruhige Bildungsminister Heinz Faßmann, der ebenso sozial engagierte grüne Gesundheitsminister Rudi Anschober, der fast schon auf Länderpolitik spezialisierte Vizekanzler der Grünen, Werner Kogler, die ÖVP-Regierungsmitglieder bis hinauf zu Bundeskanzler Sebastian Kurz sowieso: Sie alle nahmen die schleppende Abwicklung der Corona-Tests und Nachverfolgung der Stadt Wien und den dafür zuständigen roten Gesundheitsstadtrat Peter Hacker aufs Korn. Der breitflächige, massive Ärger der Bewohner der Bundeshauptstadt hat darüber hinaus im September seit Schulbeginn teils auch in Medien bereits ein Ventil gefunden.

Die lautstark nicht nur von türkis-grüner Bundesseite vorgebrachte Schelte am trägen Corona-Krisenmanagement der Stadt Wien und das unwiderlegbare Faktum, dass Wien täglich im Bundesländervergleich die meisten Neuinfektionen aufweist und damit die bundesweiten Fallzahlen nach oben treibt, sind nicht ohne Spuren geblieben. Hacker, der als Stadtrat dafür verantwortlich ist und somit den Buhmann abgibt, hat am Freitag die nächste Konsequenz aus dem Wiener Corona-Dilemma gezogen, dass die Gesundheitsverantwortlichen und das Personal nicht mehr schnell genug mit der Abwicklung der Corona-Fälle zu Rande gekommen ist. Die Stadt Wien steigt nun, wie in einer Pressekonferenz von Hacker verkündet worden ist, ganz auf Corona-Gurgeltests um, um den Kampf gegen eine Ausbreitung zu beschleunigen.

Hektik eine Woche vor der Wahl

Es ist die vorläufige letzte Station in einem Wettlauf, um dem Coronavirus Herr zu werden. Die hektischen Aktivitäten kommen nicht ungefähr. Wien steht nur eine Woche vor der Gemeinderatswahl. Für die SPÖ mit Bürgermeister Michael Ludwig besteht politisch die größte Gefahr, Abstriche von einen sicheren Wahlerfolg am 11. Oktober hinnehmen zu müssen. Und zwar, wenn die Wähler das Gefühl haben, die Fast-Zwei-Millionen-Stadt wird nicht ordentlich verwaltet. Schließlich wirbt SPÖ-Chef Ludwig als Amtsinhaber damit, dass die Bundeshauptstadt bei ihm und den Sozialdemokraten weiterhin "in besten Händen" ist. Die Kritik vor allem der ÖVP, zuletzt aber auch verstärkt von den Bundes-Grünen, wurde bisher stets als ungerechtes Wien-Bashing abgeschmettert. In so einer Situation kommen Unzulänglichkeiten gerade in dem für Menschen wichtigen Bereich des Gesundheitswesens zum völlig falschen Zeitpunkt.

Noch bis zu Schulbeginn Anfang September hat vor allem Hacker den Eindruck erweckt, dass er als Gesundheitstadtrat in Sachen Corona alles unter Kontrolle hat. In bemerkenswertem Eilzugtempo wurden Mitte August beim Stadion im Prater Tests für Reiserückkehrer aus Kroatien organisiert. Steigende Corona-Fallzahlen Anfang September wurden zunächst noch mit dem Hinweis begründet und heruntergespielt, dass Ergebnisse erst nachträglich in die Datenbank eingetragen worden seien. Gleichzeitig ließ der mundflinke und beschlagene Gesundheitsstadtrat kaum eine Gelegenheit aus, seinerseits Versäumnisse der türkis-grünen Bundesregierung gnadenlos zu brandmarken.

Sommerliche Versäumnisse

Dann kam die Kehrtwende, als sich nicht mehr wegdiskutieren ließ, dass Wien nur nach absoluten Zahlen gerechnet der klare Spitzenreiter bei Corona-Neuinfektionen ist. Zugleich wurde aber schon im Laufe der ersten Schulwoche deutlich, dass die Vorbereitungen im Sommer auf den Anstieg der Corona-Fälle im Herbst offensichtlich in keiner Weise ausreichend waren. Mittlerweile wird, wie am Freitag von Bürgermeister Ludwig im Interview mit der "Wiener Zeitung" als Begründung für dieses Versagen und die Versäumnisse als Erklärung nachgereicht, dass man einen so starken Anstieg nicht vorhersehen habe können. Dabei wurde trotz der von der Bundesregierung im Sommer verfügten Lockerungen der Corona-Beschränkungen nicht nur von der Bundespolitik, sondern ausnahmslos auch von medizinischen Experten vor einer zweiten Corona-Welle im Herbst gewarnt.

Vor allem die hohe Unzufriedenheit von Eltern, Schülern, Lehrern und Direktoren über das Chaos durch Corona-Verdachtsfälle in den Schulen machte der SPÖ in Wien letztlich Beine. Intern gab es im Rathaus Unmut darüber, dass sich die Wiener Bildungsdirektion vor allem als Zwischenstation für die Weitervermittlung Corona-betroffener Schulen zum Gesundheitsamt sah, das laut den Schilderungen aus dem Schulbereich mit der Organisation bereits längst überfordert war. Die ÖVP macht seither den Gesundheitsstadtrat zum Buhmann und verweist genüsslich darauf, dass Wien die Unterstützung des Bundesheeres bei der Nachverfolgung von Corona-Verdachtsfällen stets empört abgewehrt hat, während selbst das SPÖ-dominierte Bundesland Kärnten wie auch andere Bundesländer auf Aushilfe von Soldaten bei der Corona-Bekämpfung zurückgegriffen haben.

Zum Prügelknaben auserkoren

Dass Bürgermeister Ludwig mit Blick auf die Gemeinderatswahl die Gefahr für die SPÖ erkannt hat, wurde spätestens deutlich, als der Stadtchef selbst mit der Ankündigung aufhorchen ließ, dass die Wien noch 1000 Personen zusätzllch für die Corona-Hilfe anstellen und dafür 1800 Euro monatlich zahlen werde. Als Prellbock musste Stadtrat Hacker dann auch kurzfristig für Bundesregierung herhalten, die am vergangenen Freitag eilig die Landeshauptleute zu einer Krisensitzung mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und weiteren Regierungsmitgliedern in das Bundeskanzleramt eingeladen hat. Ludwig wollte dort nicht als Prügelknabe herhalten, Hacker musste als Ersatz hin. Der SPÖ-Stadtrat, der fachlich und argumentativ so manchem Regierungsmitglied um Längen überlegen ist, sah das Treffen vor allem vom Wahlkampf gegen Wien und die SPÖ geprägt.

Gleichzeitig wurden aber in den vergangenen Tagen die Aktivitäten zur Eindämmung des Corona-Problems in Wien verstärkt. Gurgeltests für die Schüler sollen dort den Ärger stoppen, eine neue Teststraße wurde auf der Donauinsel eröffnet. Die breitflächige Umstellung auf Gurgltests soll nun helfen, dass die Zahl der nachzuverfolgenden Verdachstsfälle zu reduzieren.