Mehr als 42 Prozent ergaben die Hochrechnungen am Sonntagnachmittag für die SPÖ. Damit gab es keine große Überraschung: Bürgermeister Michael Ludwig liegt mit seiner Partei klar an erster Stelle - und kann sich mit viel Selbstbewusstsein seinen künftigen Koalitionspartner aussuchen.

Denn der Abstand zur ÖVP auf Platz zwei ist ein beträchtlicher: Mit 18,9 Prozent bleiben die Türkisen hinter ihren inoffiziellen Erwartungen. Auch die Grünen hätten sich mehr erhofft, die 14,1 Prozent zählen aber trotzdem zu den besten Ergebnissen, die die Grünen in Wien eingefahren haben. Und mit den 7,7 Prozent für die FPÖ und dem Nicht-Erreichen der 5-Prozent-Hürde von Heinz-Christian Strache (3,9 Prozent) kann sogar der Parteichef der Wiener Blauen, Dominik Nepp, trotz Totalabsturz die Wahlarena halbwegs erhobenen Hauptes verlassen - auch wenn seine Partei mehr als zwei Drittel ihrer Wähler verloren hat. Immerhin hat Nepp gegen "das Original", seinen politischen Ziehvater, gewonnen.

Fokus auf Sicherheit

Michael Ludwig hat im Wahlkampf darauf gesetzt, Beständigkeit, Sicherheit und Ruhe auszustrahlen. Er hat sich bewusst auf keine Infights mit den politischen Konkurrenten eingelassen beziehungsweise in seiner Kritik immer nur auf die Bundesregierung fokussiert, die Wien ständig als Negativbeispiel für den Umgang mit der Corona-Krise dargestellt hat.

Nicht einmal der Wiener ÖVP-Spitzenkandidat, Finanzminister Gernot Blümel, schien Ludwig genug auf Augenhöhe zu sein. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" erklärte er gar, dass er lieber mit Bundeskanzler Sebastian Kurz diskutieren würde als mit Blümel: "Denn ich frage mich, warum ich ständig mit dem Herrn Finanzminister reden muss, der sich nicht sicher ist, ob er ins Rathaus wechseln will. Da rede ich doch gleich lieber mit dem, der sich als Bundeskanzler in Wien plakatieren lässt."

So stark sich viele Wienerinnen und Wiener noch vor der Pandemie politische Veränderung für die Stadt gewünscht hatten, so groß war dann nach dem großen Lockdown auch das Bedürfnis nach Sicherheit und "dass wieder alles so wird, wie es vorher war". Damit ist für die SPÖ eine Strategie aufgegangen, die unter anderen Umständen sehr langweilig, einfallslos und unbeweglich gewirkt wäre.

Jetzt hat Ludwig es aber sogar geschafft, das Ergebnis seines Vorgängers Michael Häupl vor fünf Jahren zu übertreffen - und das bei seiner ersten Wahl als Bürgermeister. Im Gegensatz dazu musste Häupl als Nachfolger Helmut Zilks erst einmal eine Niederlage hinnehmen: Bei der Landtags- und Gemeinderatswahl 1996 verlor die SPÖ unter Häupl erstmals in der Zweiten Republik die absolute Mandatsmehrheit, die er allerdings 2001 wiedererlangte.

Drei Koalitionsmöglichkeiten

1996 wählte Häupl die ÖVP als Koalitionspartner. Ob das jetzt wieder so sein wird, ist jedoch fraglich. Zwar gäbe es mit 68 Sitzen im Gemeinderat (47 und 21) sowohl eine große Mehrheit als auch auf beiden Seiten große Befürworter dieser Variante.

Ludwig hätte mit Wiens Wirtschaftskammerpräsident und Wirtschaftsbundobmann Walter Ruck den noch "schwarzen" Teil der ÖVP klar hinter sich. Und auch in den Flächenbezirken hätte man bei der SPÖ das Verkehrs- und Planungsressort wesentlich lieber von der ÖVP besetzt als von den Grünen.

Allerdings wäre eine große Koalition aus der Warte von Bundeskanzler Sebastian Kurz die denkbar schlechteste: Denn für die Türkisen gibt Rot-Grün in Wien einfach ein besseres Feindbild ab als Rot-Türkis. Für Kurz wäre es strategisch unvorteilhaft, wenn er plötzlich die eigenen Leute in der Wiener Stadtregierung sitzen hätte und damit einen wichtigen Reibebaum verlöre. Die Grünen sind diesbezüglich schon Herausforderung genug. Und auch bereits im Vorfeld der Wahl hieß es von Insidern, es hätte schon Versuche gegeben, eine rot-türkise Koalition zu schmieden, das sei aber am Willen der ÖVP-Parteispitze gescheitert.

Für eine Fortsetzung von Rot-Grün mit insgesamt 62 Sitzen im Wiener Gemeinderat (47 und 15) spricht hingegen eine über die vergangenen zehn Jahre eingespielte Zusammenarbeit. Und was Ideologien und politische Ziele betrifft, so stehen die Grünen der SPÖ sicherlich noch am nächsten. Abgesehen davon könnte Michael Ludwig mit diesem Wahlergebnis die Grünen viel "billiger" einkaufen als die ÖVP. Außerdem wäre es für die SPÖ ein heikles Unterfangen, die Grünen nach zehn Jahren Zusammenarbeit in der Opposition zu haben.

Aber dann gibt es freilich noch die "allerbilligste" Variante: eine Koalition der SPÖ mit den Neos. Und das wäre nach derzeitigem Stand mit 55 Sitzen im Gemeinderat (47 und 8) durchaus möglich - und die SPÖ müsste wahrscheinlich die wenigsten Zugeständnisse machen. Aber das ist, wie Ludwig mehrfach am Wahlabend betont hat, "alles noch Gegenstand von Verhandlungen".