Wien (ett). Mit 36 Prozent erwartet ein gutes Drittel der Wahlberechtigten mit der Stimmabgabe am 29. September, dass die FPÖ nicht mehr in die neue Bundesregierung einzieht. Bei potenziellen Neos-Wählern ist der Anteil doppelt so groß. Zwei Drittel von ihnen wollen den Neos die Stimme in der Erwartung geben, um die Freiheitlichen künftig nicht neuerlich in Regierungsämtern zu sehen, wie aus einer Umfrage im Auftrag der Neos hervorgeht. Insgesamt wollen 32 Prozent der Wahlberechtigten bei der Nationalratswahl, dass es keine Neuauflage der Mitte Mai nach dem Ibiza-Video geplatzten ÖVP-FPÖ-Koalition. Im pinken Wählersegment ist das Wahlmotiv, dass mit ihrer Entscheidung eine Regierungsalternative zu Türkis-Blau verbunden ist, bei 50 Prozent.
Immerhin 42 Prozent der Ende Juli/Anfang August befragten Österreicher sind der Meinung, die Neos sollen in eine Koalition, um dem Ex-Bundeskanzler in der türkis-blauen Regierung, ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, die Stirn zu bieten. Was das Vertrauen in Politiker betrifft, liegt Meinl-Reisinger in dieser Umfrage hinter dem Ex-Regierungschef auf dem zweiten Platz. Jeweils 29 Prozent haben zu Kurz "sehr" beziehungsweise "eher" Vertrauen. Bei der Neos-Chefin haben zehn Prozent "sehr" Vertrauen, immerhin weitere 36 Prozent "eher" Vertrauen.
Die Neos werden den Eintritt in eine Koalition an einige, inhaltliche Bedingungen knüpfen. Ganz offensichtlich an die Adresse von ÖVP-Chef Kurz, dessen Partei in allen Umfragen mit deutlichem Abstand voran liegt, wird eine dieser Neos-Bedingungen auf strengere Regeln für die Parteienfinanzierung und Parteispenden abzielen. Neos-Bundesgeschäftsführer Nikola Donig formuliert die Bedingung grundsätzlich so: Seine Partei werde "nur mit einer Partei, die zu hundert Prozent transparent ist", in eine Regierung gehen.
Mit Meinl-Reisinger "älter" geworden
Bemerkenswert ist, dass die Neos-Wähler nach dem Rücktritt von Parteigründer und Obmann Matthias Strolz im vergangenen Jahr älter geworden sind. Was die Altersstruktur betrifft, kommen laut Umfrage 45 Prozent der pinken Wähler mittlerweile aus der Altersgruppe der 30-50-Jährigen. Das ist der Strolz-Nachfolgerin und Neos-Spitzenkandidatin geschuldet, die als Mutter von drei Kindern diese Altersgruppe besonders anspricht. Ein knappes Viertel der Wähler kommt mit 23 Prozent aus dem Bereich der jungen Wähler zwischen 16 und 29 Jahren, die Strolz nicht zuletzt mit der Betonung der Bildungspolitik besonders angesprochen hat. Bei den jungen Wählern zwischen 16 und 29 Jahren haben vor dieser Nationalratswahl jedoch die Grünen mit 36 Prozent die Nase vor. Das pinke Wählersegment bei den Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren liegt laut Umfrage bei 22 Prozent, jenes bei der Generation zwischen 60 und 69 Jahren bei zehn Prozent.
Generell ist für die Neos am 29. September einiges an Wählerpotenzial vorhanden. Für insgesamt 48 Prozent der Wähler ist die pinke Partei grundsätzlich wählbar, davon ist sie für 34 Prozent "eher schon wählbar". Das Problem für liberale Parteien ist aber, dass sie oft die Partei der zweiten Wahl hinter einer anderen Partei sind. Immerhin kommen die Neos für jeden dritten ÖVP-Wähler in Betracht. Bei der Nationalratswahl 2013 haben die Neos von der damaligen Schwäche der ÖVP profitiert und sind erstmals in den Nationalrat eingezogen. 2017 haben sie dank der Schwäche der Grünen, die am Einzug gescheitert sind, neuerlich den Sprung ins Hohe Haus geschafft. Obwohl ÖVP und Grüne diesmal im Aufwind sind, müssen sich die Neos dieses Mal nicht mit dem Zittern um den Wiedereinzug befassen. Bei der Nationalratswahl 2013 reichte es für knapp fünf Prozent, 2017 für 5,3 Prozent. Messlatte für die Pinken mit Spitzenkandidatin Meinl-Reisinger sind dieses Mal aber die EU-Wahlen, bei denen 2014 bereits 8,1 und heuer 8,4 Prozent der Stimmen erreicht wurden.
Der Nationalratswahlkampf war vor der nunmehr angebrochenen Intensivphase nach dem Ibiza-Video ganz von den Diskussionen um Parteispenden für die ÖVP und deren Antwort, es handle sich um einen "Schmutzkübelwahlkampf" , dem Ruf nach strengeren Regeln für die Parteienfinanzierung sowie den Ermittlungen der Justiz gegen Ex-FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der Bestechung rund um die Bestellung des Finanzvorstandes bei den Casinos Austrias überschattet. Inhaltlich stand vor allem die Auseinandersetzung um einen besseren Klimaschutz im Mittelpunkt. Dieses Thema spielt mit 30 Prozent Nennungen bei den Wahlberechtigten die zentrale Rolle. Dahinter rangiert noch immer Zuwanderung und Asyl vor einer Steuerentlastung. Bei Neos-Wählern folgt nach dem Klimaschutz (32 Prozent) das Thema Transparenz und Anti-Korruption (28 Prozent), knapp dahinter folgen Steuern und Entlastung (27 Prozent) und Bildung mit 25 Prozent. Neben Bildung soll daher im Wahlkampf inhaltlich ein Schwerpunkt bei der Steuerentlastung gesetzt werden. "Der Einbruch in die ÖVP-Zentrale ist nicht halb so interessant wie der Einbruch der Konjunktur", sagt Neos-Wahlkampfmanager Donig spitz angesichts des von der ÖVP beklagten Hackerangriffs auf die Volkspartei.