Wien. Pamela Rendi-Wagner fällt dieser Tage eine mäßig dankbare Aufgabe zu. Sie muss die von schwachen Umfragewerten gerüttelte SPÖ vor dem Total-Absturz bewahren. Auch wenn manche Beobachter ihren bisherigen Wahlkampf als recht gelungen empfinden, bleibt die Situation schwierig. Weder Themen- noch Stimmungslage sprechen aktuell für die Sozialdemokratie.
Dazu kommt, dass Rendi-Wagner über keine herausragenden Persönlichkeitswerte verfügt. Die Ärztin, die als Spitzenbeamtin im Gesundheitsministerium mit der Politik schon langem in Berührung war, wurde kurz vor dem Platzen der bisher letzten rot-schwarzen Koalition in die Regierung geholt und hatte kaum Zeit sich dort zu entfalten. Sie fiel letztlich weder gut noch schlecht auf, überraschte aber dafür die eigene Partei mit einem engagierten basisnahen Wahlkampf.
Damit rückte Rendi-Wagner, die der SPÖ erst mit ihrem Avancement zur Gesundheits- und Frauenministerin beigetreten war, zur einer der raren Hoffnungsträgerinnen der Partei auf. Wiewohl sie in der Opposition nicht unbedingt Speerspitze war, schaffte es Parteichef Christian Kern bei seinem turbulenten Abgang, Rendi-Wagner als Nachfolgerin durchzubringen. Dass sie sich später von Kern abwandte, ist eine der vielen Pointen der chaotischen roten Herbsttage des Jahres 2018.
Problematische Personalpolitik
Leicht wurde es der ersten Vorsitzenden der Sozialdemokratie von der Partei von Anfang an nicht gemacht, aber auch sie machte es der Partei nicht unbedingt leicht. Vor allem ihre Personalpolitik mit dem strategischen Tiefpunkt des Rauswurfs des beliebten Bundesgeschäftsführers Max Lercher schuf Gräben, die mancherorts bis heute nur oberflächlich zugeschüttet sind. Auf der anderen Seite machten die burgenländische und vor allem die Wiener Parteispitze auch öffentlich deutlich, dass sie Rendi-Wagner politisch eher für ein Leichtgewicht halten.
In der Rolle der Oppositionschefin kam die 48-Jährige dann auch nie an. Ihre Reden wirkten oft zu einstudiert, der Vortrag der an sich guten Rhetorikerin geriet immer wieder zu hektisch und fahrig. Ein hölzerner Parteiapparat tat sein Übriges, dass die Sozialdemokraten im Vergleich zur pinken Konkurrenz der Neos oft altbacken wirkten, auch wenn erstmals eine moderne Frau an der Spitze der SPÖ stand.
Ob die Abwahl des beliebten Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) ein Meisterstück war, wird die Nationalratswahl zeigen. Bei der EU-Wahl als Generalprobe, als der Misstrauensantrag gegen Kurz unmittelbar bevorstand, ging es jedenfalls schon einmal schief, als Andreas Schieder trotz eines engagierten Wahlkampfs ein Debakel einstecken musste.
Die Kampagne für den 29. September läuft bisher besser als von nicht wenigen befürchtet. Rendi-Wagner hat sich als politische Rednerin gesteigert, in den TV-Auftritten zuletzt zeigte sie sich zwar ab und an beleidigt, brachte aber zumindest ihre Botschaften klar auf die Bühne. Einziger gröberer Schnitzer im Wahlkampf war bisher ein an die Öffentlichkeit gelangtes Urlaubsfoto aus einem Club in St. Tropez, das ihre Story vom bescheidenen Familienurlaub in Caorle konterkarierte.
Image der Salon-Roten
Ohnehin haftet Rendi-Wagner, die mit dem Diplomaten Michael Rendi verheiratet und Mutter von zwei Töchtern im Teenager-Alter ist, ein wenig das Image der Salon-Roten an, das umso mehr, als ihr Umfeld mit Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda und der früheren Bildungsministerin Sonja Hammerschmid zumindest im Auftritt auch eher bürgerlich anmutet.
Dabei stammt die rote Spitzenkandidatin, deren erster Vorname eigentlich Joy ist, aus finanziell nicht besonders begüterten Verhältnissen. Sie wuchs unter anderem im Groß-Gemeindebau Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien-Favoriten auf, besuchte später das selbe Gymnasium wie Kurz in Wien-Meidling und widmete sich dann als selbst bezeichnete "kleine Streberin" im Eiltempo einem Medizin-Studium, in dessen Folge sie zur Impfspezialistin wurde. Nach einer Tätigkeit am Tropeninstitut hatte Rendi-Wagner in Tel Aviv eine Gastprofessur, ehe ihre Familie nach Wien zurückkehrte und sie den Posten der Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit annahm. Dieses Amt bekleidete sie bis zur ihrem Wechsel in die Politik.
Sollte die Wahl so enden, dass Rendi-Wagner ihren Ausflug in die Politik als beendet empfindet, wird es wohl kaum an Angeboten aus ihrem Fachbereich mangeln. Selbst die blaue Sozialministerin Beate Hartinger-Klein hätte sie gerne im Gesundheitsressort zurück gehabt.
Zur Person: Joy Pamela Rendi-Wagner, geboren am 7. Mai 1971 in Wien, verheiratet mit dem Diplomaten Michael Rendi, zwei Töchter, 1996 Promotion an der Medizinischen Universität Wien, Facharztausbildung in London, wissenschaftliche Arbeit am Institut für Tropenmedizin der Med-Uni Wien, 2008 Habilitation, Gastprofessur an der Universität Tel Aviv, ab 1. März 2011 Sektionschefin und Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, ab 8. März 2017 Gesundheits- und Frauenministerin, seit der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ Abgeordnete zum Nationalrat und Gesundheitssprecherin der SPÖ. Seit 25. September 2018 Vorsitzende der SPÖ, zunächst geschäftsführend.