Wien. Bildung, Migration und Gleichberechtigung: Fast alle der ersten acht Kandidatinnen und Kandidaten der Wiener Grünen für die Nationalratswahl am 29. September kommen aus Bereichen, die mit Umwelt eher wenig zu tun haben. Fast alle. Denn Lukas Hammer, der umweltpolitischer Sprecher der Umweltschutzorganisation Greenpeace war, führt die Wiener Liste der Grünen zur Nationalratswahl an. Zuletzt kam Eva Glawischnig, die von 1999 bis Mai 2017 Abgeordnete zum Nationalrat für die Grünen war, als juristische Expertin von Global 2000 direkt von einer Umwelt-NGO zur Partei. Dass die Grünen dank des aktuell vielfach thematisierten Klimaschutzes nun erfolgreicher interessengeleitete Klientelpolitik betreiben können als bei der vergangenen Nationalratswahl 2017, seit der diese nicht mehr im Parlament vertreten sind, will Hammer allerdings nicht so stehen lassen. Denn Klimapolitik betreffe alle, sagt er im Interview mit der "Wiener Zeitung". Unter den Grünen gebe es jetzt - anders als früher - "eine große Geschlossenheit".
"Wiener Zeitung": Bei der vergangenen Nationalratswahl 2017 schafften die Grünen mit 3,8 Prozent der Stimmen die Vier-Prozent-Hürde nicht, danach gab es große Turbulenzen: Die damalige Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek trat zurück, die Bundessprecherin Ingrid Felipe ging wieder nach Tirol. Werner Kogler, davor stellvertretender Bundessprecher, folgte Felipe nach. Seine Aufgabe war es, den Parlamentsklub aufzulösen, mehr als 100 Mitarbeiter zu kündigen - und die Partei neu aufzubauen. Was ist jetzt anders??
Lukas Hammer: Ich glaube, dass die Grünen sehr viel gelernt haben. Wenn man will, könnte man sagen, es war eine kreative Zerstörung. Es gibt jetzt eine große Geschlossenheit.
Gab es die vorher nicht?
Die gab es vorher nicht in dieser Form. Die Grünen sind eine Bewegung, in der man den Menschen zugesteht, dass sie kritisch sind. Da ist es wichtig, die Balance zu finden. Wir sind kein sektenhafter Werner-Kogler-Gebetsverein. Aber wir stehen trotzdem alle hinter ihm. Diese Balance zu finden, das gelingt gerade sehr gut.
Nach der Niederlage 2017 erreichten die Grünen bei der EU-Wahl im Mai 14 Prozent - das Thema Klimaschutz war gesellschaftlich nach vorne gerückt. Mittlerweile findet es sich in den Wahlprogrammen aller Parteien. Wie wollen sich die Grünen diesmal abheben?
Im jetzigen Wahlkampf haben wir immer noch die selben Themen wie vorher, aber wir stellen sie anders und fokussierter in die Auslage.
Inwiefern?
Unser Fokus ist schon lange der Klimaschutz. Die Grünen haben sich in der Vergangenheit zu wenig gegen die Moralapostel-Zuschreibung gewehrt. Wer so tut, als könnte man mit privaten Konsumentscheidungen und mit moralischen Appellen die Klimakrise lösen, der verharmlost das Problem. Und der verkennt, dass wir strukturell ganz große Veränderungen brauchen. Ich möchte die Verantwortung zu Lösungen für die Klimakrise nicht auf Einzelne abschieben, sondern ich möchte politische Lösungen.