Wien. Der laufende Intensivwahlkampf dreht sich inzwischen immer stärker um mögliche Koalitionsvarianten nach der Wahl am 29. September. Diese könnte schwierig werden. Das TV-Duell zwischen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Norbert Hofer am Mittwochabend zeigte erhebliche Gräben zwischen den früheren Koalitionsparteien.
Kurz forderte Hofer – mit dem er das Du-Wort pflegte – erneut auf, dass die FPÖ sich verändern müsse, und zwar hinsichtlich rechtsextremer Kontakte und mangelnder Distanz zu den rechtsextremen Identitären. "Nein, ich ändere meine Meinung nicht", schloss Kurz erneut aus, FPÖ-Klubchef Herbert Kickl ein weiteres Mal als Innenminister in einer etwaigen Koalition mit den Freiheitlichen zu akzeptieren. Man werde "sehen, welcher Flügel sich durchsetzt", spielte Kurz auf die beiden wichtigsten FPÖ-Politiker Hofer und Kickl an. Hofer konterte, es sei unklug von Kurz, der FPÖ vorschreiben zu wollen, wie sie sich zu verändern habe. Er könne auch sagen, dass die ÖVP ihre 20 Millionen Euro Schulden loswerden müsse, "aber das tue ich nicht", so der FPÖ-Chef. Am Samstag findet in Graz der Parteitag der FPÖ statt.
Identitäre werden zum taktischen Problem der FPÖ
Hofer betonte mehrmals, dass extremistisches Gedankengut nichts in der Partei verloren habe und man mit den Identitären nichts zu tun haben wolle. Am Mittwoch wurde allerdings ein weiterer Fall einer Verbindung zwischen Identitären und der FPÖ bekannt. Ein Sympathisant bzw. Aktivist der Bewegung kandidiert auf einem hinteren Platz für die Landesliste der FPÖ Oberösterreich, wie die Zeitung "Österreich" berichtete. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) listet den Mann als "Identitären".
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer reagierte daraufhin ungewohnt scharf in Richtung seines Koalitionspartners FPÖ und seines Vizes Manfred Haimbuchner. "Meine Haltung zu den Identitären ist bekannt und unmissverständlich. Sie sind in Oberösterreich nicht willkommen", schrieb Stelzer in einer Aussendung. Er erwarte sich ""unverzüglich und in aller Klarheit die notwendigen Konsequenzen" von seinem Koalitionspartner.
Haimbuchner allerdings sah am Mittwochnachmittag "derzeit keinen Grund, Konsequenzen zu ziehen". Dennoch werde jemand beauftragt, den Fall zu untersuchen. Der betroffene FPÖ-Politiker bestreite, "Mitglied der Identitären" zu sein, sollte sich dies als unrichtig herausstellen, hätte dies Konsequenzen, so Haimbuchner. Der Landesparteivorstand sei damit beauftragt, eine Person mit der Aufklärung des Sachverhalts zu betrauen, hieß es am Donnerstagvormittag gegenüber der "Wiener Zeitung" aus Haimbuchners Büro. Seien die "Dokumente zusammengetragen" und die "Gespräche geführt", werde diese Person dann wiederum "dem Landesparteivorstand Bericht erstatten", und dieser werde allfällige Konsequenzen ziehen. Stelzer scheint das vorerst zu genügen: "Dieser Schritt ist zu begrüßen", so seine Reaktion auf Haimbuchners Ankündigung.
Die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" wird seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als wesentlicher Träger des modernisierten Rechtsextremismus in Österreich. Mitglieder im engeren Sinn hat die Kaderorganisation keine, es existieren mehrere Vereine, mit allerdings nur wenigen Mitgliedern. Diese sind meist ident mit dem Führungskader der Rechtsextremen. Die Anhängerschaft setzt sich aus Aktivisten, Sympathisanten und Spendern zusammen. Die ÖVP kündigte an, noch im September ein Verbot der Identitären per Gesetzesinitiative einbringen zu wollen. Rechtsextremismus-Experten und Juristen gleichermaßen, ebenso wie Justizminister Clemens Jabloner, halten dies allerdings für problematisch.
Kogler verlangt Ende des "Rechtspopulismus" der ÖVP
Auch die Grünen sehen sich im Wahlkampf mit der Frage konfrontiert, ob sie für eine etwaige Koalition mit der ÖVP nach der Wahl zur Verfügung stehen werden. Besonders die Wiener Grünen stehen der Politik von ÖVP-Chef Sebastian Kurz ablehnend gegenüber. Spitzenkandidat Werner Kogler betonte bei Wahlkampfauftritten allerdings, dass die Grünen bereit seien, in einer Regierung für ihre Ziele zu arbeiten. Im Ö1-"Morgenjournal spezial" am Donnerstag sagte aber auch Kogler, die ÖVP müsse sich dafür "verändern" und von ihrem "rechtspopulistischen Kurs" abkehren. Dann erst könne er sich eine Zusammenarbeit mit der Kurz-ÖVP vorstellen, so Kogler.
SPÖ-Chefin und Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner sagte im Interview mit dem "Standard" wiederum, sie schließe keine Partei außer die FPÖ von einer möglichen Koalition aus, auch nicht die ÖVP von Sebastian Kurz. "Bei allen Parteien kommt es auf die Inhalte und Programme an, wenn beides passt, warum nicht?", so Rendi-Wagner im Interview. Die Sozialdemokratie müsse verhindern, "dass die Rechten noch einmal an den Hebeln der Macht sitzen". (rei/apa)