Maria Berger, ehemals Justizministerin und bis heuer Richterin am Europäischen Gerichtshof, hat vor einigen Wochen eine Petition ins Leben gerufen. "Rettet die Justiz!" Zehn Punkte sind darin aufgeführt, sie sollen den "stillen Tod" der Justiz, wie es auch Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner formulierte, verhindern. Zu den Forderungen zählt eine bessere personelle Ausstattung in fast allen Bereichen und auch bessere Bezahlung von Dolmetschern; kürzere Verfahren; eine Senkung der Gerichtsgebühren; ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt (statt Weisung durch den Justizminister); eigene Zentren für jugendliche Straftäter und eine unabhängige Rechtsberatung im Asylverfahren. Am Rande des Forums Alpbach sprach die "Wiener Zeitung" mit Maria Berger.

"Wiener Zeitung": Über die Ausstattung der Justiz wird zum ersten Mal seit Jahren vor einer Nationalratswahl debattiert. Warum jetzt?

Maria Berger: Die finanzielle und personelle Situation war noch nie so dramatisch. Alle, denen das ein Anliegen ist, müssen sich jetzt melden. Die Justiz war immer eine sehr brave Organisation: Das Ministerium, die Gerichte, die Vereinigungen, sie alle haben stets versucht, die Vorgaben und Einsparungen zu erfüllen. Aber irgendwann geht es nicht mehr. Und dieser Zeitpunkt ist jetzt erreicht. Es geht immerhin um die dritte Staatsgewalt. Sie ist für den Rechtsstaat von zentraler Bedeutung, für die Freiheit jedes Einzelnen. Und dass dieser Bereich gut funktioniert, muss ein genauso wichtiges Anliegen sein wie viele andere Anliegen auch.

Justizminister waren oft parteilos, auch zuletzt. Ist das in Budgetverhandlungen ein Nachteil, weil ein parteiloser Minister vielleicht ein schlechteres Standing hat als jemand aus einer Partei?

An sich sollte das nicht so sein. Denn entweder man hat gute Argumente oder nicht. Aber realpolitisch ist es wohl so. Ich habe damals doch einige zusätzliche Planstellen rausverhandeln können, aber das ist nur gegangen, weil mich der Bundeskanzler unterstützt hat. Wenn ich als Parteifreier keinen Kanzler an meiner Seite habe und der Finanzminister ist kraft seines Amtes sowieso gegen mich, dann ist es schwer, etwas zu gewinnen.

Wenn man sich das Justizbudget der vergangenen Jahre ansieht, ist es gar nicht kleiner geworden. Es gibt real ein Plus, und auch gemessen am BIP bzw. den staatlichen Gesamtausgaben gibt es etwas mehr. Warum gibt es also dennoch diese Probleme?

In der Justiz ist das Personal natürlich bedeutsam. Jede Erhöhung für die Beamten frisst schon einmal einen Teil der Budgetsteigerung auf. Doch es steigen auch die Strafsachen und die Komplexität der Verfahren. Man benötigt heute viel mehr Dolmetscher. Und es sind auch mehr internationale Rechtshilfeansuchen notwendig. Die Digitalisierung, die wir noch viel stärker bräuchten, kostet zunächst auch einmal Geld. Mir ist es damals im Strafvollzug gelungen, auf 6000 Insassen runterzukommen. Jetzt sind wir wieder bei 9000 in den Gefängnissen.