Mehr als eine Million Stimmen gibt es für die Parteien in Wien zu holen. Mit 1.149.664 Wahlberechtigten liegt Wien knapp hinter Niederösterreich (1.292.901). Welche Konsequenzen ein schlechtes Abschneiden in der Bundeshauptstadt hat, erlebten bei der Nationalratswahl 2017 die Grünen. Sie verloren in ihrer wichtigen Hochburg 10,5 Prozent im Vergleich zur Wahl 2013 und flogen aus dem Nationalrat. Die "Wiener Zeitung" gibt einen Überblick über die Ausgangslage für die Parteien.


Lange Zeit hatte die ÖVP in Wien einen schweren Stand. Bei der NR-Wahl 2002 erreichte sie noch 30,65 Prozent. Danach ging es aber steil bergab. Der Tiefpunkt wurde bei der Landtagswahl 2015 erreicht: Mit 9,24 Prozent wurde die Volkspartei einstellig. Wenn die ÖVP in Wien nichts zustande bringe, könne sie im Bund "in Wirklichkeit nichts gewinnen", konstatierte ÖVP-Urgestein Erhard Busek im "Standard".

Auch wenn die Volkspartei in Wien - im Vergleich zu anderen Bundesländern - weiter schwächelt, zeigt der Trend nach oben. Bei der NR-Wahl 2017 kam sie auf 21,6 Prozent. Auffallend ist, dass die ÖVP in den bevölkerungsstarken Bezirken Favoriten, Simmering, Floridsdorf und Donaustadt reüssierte. Sie gelten als Arbeiterbezirke, um deren Wähler sich FPÖ und SPÖ duellieren.
Bei der EU-Wahl im Mai 2019 kam sie in diesen Bezirken auf rund 18 bis 21 Prozent, teils erzielte sie Zuwächse von neun Prozentpunkten. Dieser Gewinn deckt sich mit den Wählerstromanalysen von ORF und Sora: Demnach schöpfte die ÖVP ihre Stimmen bei der NR-Wahl 2017 von früheren FPÖ- und Team-Stronach-Wählern und bei der EU-Wahl 2019 von SPÖ und FPÖ ab.
Einen erheblichen Anteil daran trägt wohl die härtere Migrationslinie unter Obmann Sebastian Kurz. Dementsprechend weniger erfolgreich ist die ÖVP daher auch in den grün-dominierten Bezirken wie Währing und Wieden: Dort stagnierte die Volkspartei bei der EU-Wahl.

An sich ist die Ausgangslage für die SPÖ verlockend: In Umfragen liegt sie für die Wien-Wahl 2020 mit bis zu 10 Prozent vor der FPÖ, bei der NR-Wahl 2017 und EU-Wahl 2019 landete sie in Wien mit 34,5 beziehungsweise 30,3 Prozent klar auf Platz eins. Zuwächse von rund zweieineinhalb Prozent gab es dabei jeweils zu verzeichnen. Das sozialdemokratische Wählerreservoir droht aber in zwei Richtungen abzurinnen. Einerseits zu den erstarkten Grünen, die mit dem Klimathema in ihren innerstädtischen Hochburgen punkten. Andererseits zu FPÖ und ÖVP, die gerade in den Außenbezirken Wähler an sich binden wollen. Der Erfolg der SPÖ wird maßgeblich davon abhängen, inwiefern sie die Abwanderungen verhindern kann.