Wien. Kanzler oder Minister, gegen die ein Misstrauensvotum erfolgreich ist, sollen für eine gewisse Zeit nicht mehr in ihr Amt zurückkehren dürfen: Das fordert Nationalratsabgeordneter Alfred Noll (Liste Jetzt). Die "vom Nationalrat verordnete Abkühlphase" soll für die Zeit nach der Abwahl und eine unmittelbar darauffolgende NR-Wahl gelten, sagt Noll zur "Wiener Zeitung". Einen Antrag dazu werde er am Donnerstag im Nationalrat einbringen.
Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) würde eine solche "Abkühlphase" betreffen. Kurz und der von ihm gestellten Übergangsregierung wurde am 27. Mai von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt das Misstrauen ausgesprochen. Sollte dem Antrag zugestimmt werden, könnten Kurz und die restlichen Regierungsmitglieder nach der NR-Wahl daher nicht erneut vom Bundespräsident in ihren Ämtern ernannt werden.
Die ÖVP ist empört: "Sebastian Kurz soll mit allen Mitteln verhindert werden. Ein Gesetz zu planen, das festlegen soll, wer Bundeskanzler werden darf und wer nicht, ist völlig jenseitig", so Generalsekretär Karl Nehammer.
Vorbild Deutschland
"Rechtspolitisch problematisch" sei der Vorschlag, sagt Verfassungsrechtler Theo Öhlinger: "Bei einer Neuwahl entscheidet der Wähler: Wurde der Kanzler zu Recht gestürzt? Oder hat er nach wie vor eine so große Mehrheit, dass der Bundespräsident nicht umhinkann, ihn erneut zum Kanzler zu ernennen?"
Es werde nicht die Regierung, sondern der Nationalrat gewählt, entgegnet Noll. Ein Misstrauensvotum sei die stärkste Waffe, die der Nationalrat gegen die Regierung habe. Sie sei nicht wirkungsvoll, wenn dieselben Personen gleich darauf wieder in ihre Ämter ernannt werden könnten.
Der Abgeordnete sieht die Regelung als Ersatz für das konstruktive Misstrauensvotum, das es etwa in Deutschland gibt. Dort kann der Bundestag dem Kanzler das Misstrauen nur dann aussprechen, wenn er mit Mehrheit zugleich auch einen Nachfolger wählt. Der Bundespräsident muss diesen Nachfolger auch ernennen. "Das ist in Österreich nicht möglich", so Noll. Der Nationalrat sei in der Hand des Bundespräsidenten, der den Kanzler frei ernennen kann. Mit der Abkühlphase werde nichts anderes gemacht, als die "Kompetenz des Bundespräsidenten leicht einzuschränken".
Rechtlich sei es dem Bundespräsidenten möglich, den Kanzler nach dem Misstrauensvotum zu entlassen und gleich darauf wieder zu ernennen, betont Öhlinger. Rechtspolitisch sei das aber ausgeschlossen. Van der Bellen habe das nach dem Misstrauensvotum gegen Kurz nie erwogen. Er verweist darauf, dass die Regelung in Deutschland auch historische Hintergründe habe, die in Österreich nicht gegeben seien: "In der Weimarer Republik haben sich die Parteien immer auf den Sturz der Regierung, nicht aber auf deren Nachfolge einigen können."
Die Debatte dürfte auf einer theoretischen Ebene bleiben: Eine Mehrheit wird der Antrag nach derzeitigem Stand nicht finden. Ein solches Gesetz müsste im Verfassungsrang mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat beschlossen werden. Die FPÖ hat bereits erklärt, dem Antrag nicht zuzustimmen - und auch die ÖVP wird wohl kaum dafür votieren.