
Also nicht die klassische Mitgliedschaft?
Genau. Man ist dann zwar nicht Mitglied, aber engagiert innerhalb einer Partei für ein konkretes Thema wie Umwelt oder neue Technologien. Zumindest in der Schweiz setzen die Parteien immer mehr darauf und organisieren Veranstaltungen zu spezifischen Themen, aber losgelöst von der Partei. Das entspricht der Jugend mehr. Es kann auch abschreckend wirken, wenn man sich eigentlich für ein bestimmtes Thema engagieren will, dann aber zum Beispiel zu Sozialpolitik, Wirtschaft oder zur EU auch eine Meinung haben muss, wie das in Parteien der Fall ist.
Aber wenn sich das Engagement nur auf ein einziges Thema beschränkt, fördert das dann nicht die Kompromisslosigkeit, weil man sich eben nur mit diesem einen Thema beschäftigt? In der Politik gehört der Kompromiss ja dazu, er ist demokratiepolitisch notwendig.
In den Schweizer Jugendparlamenten wird dieser Austausch auch sehr gefördert. Aber wir sehen grundsätzlich, dass die Parteienlandschaft sehr polarisiert ist. Und das bekommen die Jugendlichen mit und leben das natürlich dann auch. Die Elterngeneration macht es ihnen ja nicht unbedingt besser vor. Zumindest für die Schweiz kann ich aber sagen: Hinter verschlossenen Türen können die Politiker ja dann doch wieder alle miteinander. Und ich denke, das ist bei der Jugend ähnlich.
Engage.ch setzt in der Schweiz sehr früh an, nämlich bei 12-Jährigen. Wie bekommt man da Zugang?
Wir versuchen eigentlich alles. Zum einen natürlich über Social Media, die sind für uns sehr wichtig. Sie bieten die Möglichkeit für eine einfache und direkte Kommunikation. Genau dies wollen wir den Jugendlichen vermitteln, dass Politik auch einfach sein kann. Zum anderen sind auch die Schulen sehr wichtig. Wir bekommen oftmals von den Schulen die Rückmeldung, dass es schwierig ist, Politik zu vermitteln. Als Lehrperson hat man oft Angst, dass man in eine Parteischublade gedrängt wird. Deshalb sind Lehrer dann sehr dankbar, wenn sie mit uns gemeinsam arbeiten können.
In der Schweiz ist Politische Bildung als Schulfach Kantonssache. Merken Sie Unterschiede beim Engagement, ob Politische Bildung gelehrt wird oder nicht?
Es wird in den meisten Kantonen Staatskunde fachübergreifend gelehrt. Aber es gibt Regionen, in denen das intensiver passiert. Und das merkt man schon. Aber es ist auch sehr stark von der Lehrperson abhängig, wie groß das Wissen und das Interesse der Schüler ist.
Aber gibt es mehr Engagement dort, wo es mehr Politische Bildung gibt?
Es gibt einen Kanton, in dem Politische Bildung als Schulfach wirklich Teil des Lehrplans ist. Das ist das Tessin. Aber dort ist das ganze Bildungssystem anders aufgebaut, daher sind Vergleiche schwierig. Wir merken aber schon, wenn in einer Klasse Politik bereits thematisiert wurde, dass diese Jugendlichen mehr Wissen mitbringen und engagierter sind, worauf wir dann aufbauen können.