Für die Grünen, die diesmal vermutlich aus mehreren Richtungen Stimmen bekommen werden, ist das Thema Koalition auch heikel. Werner Kogler war um größtmögliche Distanz zu Kurz bemüht. Er versuchte, zwischen Schwarz und Türkis zu differenzieren. Denn mit Schwarz koalieren die Grünen ja im Westen Österreichs seit Jahren, eine Zusammenarbeit mit Türkis im Bund wäre aber vor allem für die Grünen in Wien, die bald eine eigene Wahl schlagen müssen, eine große emotionale Herausforderung.

Strategisches Wählen ist diesmal schwierig. Vor zwei Jahren, als Sebastian Kurz die ÖVP übernahm und danach die Zusammenarbeit mit der SPÖ beendete, war ziemlich klar, dass eine weitere Auflage der großen Koalition extrem unwahrscheinlich sein würde. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand zwar der Kampf um Platz eins und damit der Farbenwechsel im Kanzleramt. Doch wer Kurz damals wählte, musste damit rechnen, dass es auf Türkis-Blau hinauslaufen würde. Das ist diesmal anders. Welche Koalition man mit einer Stimme für die ÖVP bekommen wird, ist völlig offen. Vielleicht weiß dies nicht einmal Sebastian Kurz selbst.

Was erhält man nun, wenn man eine der antretenden Parteien wählt und sie damit stärkt? Wenn die ÖVP am Wahltag ordentlich zulegt, wird gegen die Volkspartei keine Regierung gebildet werden können. Dann erhält man jedenfalls Kurz wieder als Kanzler - sofern nicht alle Koalitionsverhandlungen scheitern und es sofortige Neuwahlen gibt.

Was die
Kreuze bedeuten

Ein Kreuz bei der ÖVP würde Kurz und seine Forderungen auch inhaltlich unterstützen; egal, ob sie echte Wahlmotive sind. Das betrifft seinen restriktiven Migrationskurs sowie das Thema Steuersenkungen. Mit 37 Prozent würde die ÖVP ganz anders in Koalitionsverhandlungen gehen können als bei einer prozentualen Stagnation. Doch gerade die strikte Migrationslinie könnte bei einer Dreier-Koalition mit Pink und Grün ein Knackpunkt werden. Doch sollte Kurz diese Linie verlassen, wenn die ÖVP deutlich zulegt?

Wenn die SPÖ am Wahltag über den Umfragen liegen sollte, dann ist den Roten vor allem eine blamable Niederlage erspart geblieben. Hoch gewinnen wird es die SPÖ nicht mehr, das hat auch schon Ex-Kanzler Christian Kern orakelt. Freilich, rasend erfolgreich war auch er nicht. Und das trotz hoher Sympathiewerte und Kanzlerbonus. Sollte die SPÖ veritabel verlieren, würde das wohl nicht einmal als persönliche Niederlage Pamela Rendi-Wagners, der ersten weiblichen Vorsitzenden der SPÖ, interpretiert werden, sondern vielmehr als endgültiges Aus des Kern-Flügels. Dass es erneut zu einem Wechsel an der Parteispitze kommen dürfte, ist dann anzunehmen. Und auch, dass die Gewerkschaft danach wieder etwas mehr mitreden wird.

Doch auch bei einem roten Erfolg wäre es schwer, Inhaltliches aus dem SPÖ-Resultat herauszulesen. Das war beim Wahlerfolg Alfred Gusenbauers 2006 noch anders, damals fand nach sechs Jahren Schwarz-Blau doch wieder eine Hinwendung zu sozialen Themen statt. Diese Dynamik ist derzeit aber nicht in Sicht.